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Konflikt zwischen Ankara und AthenAufrüstung am Mittelmeer

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

In der Vergangenheit haben die USA verhindert, dass der Streit zwischen der Türkei und Griechenland eskaliert. Jetzt muss das die EU übernehmen.

Auf Konfliktkurs: Griechische Militärübung im östlichen Mittelmeer Foto: dpa

D ie Welt hat sich leider daran gewöhnt, dass am Südostrand des Mittelmeeres immer wieder Krieg geführt wird. Dagegen war der nördliche Rand des östlichen Mittelmeers bislang vergleichsweise stabil. Und das, obwohl die Konflikte zwischen Griechenland und der Türkei bereits Jahrzehnte vor sich hin schwelen. Dass daraus bislang kein offener militärischer Schlagabtausch wurde, ist ein Verdienst der Nato und da insbesondere der Vormacht USA.

Dass die USA einen Krieg zwischen Griechenland und der Türkei in der Vergangenheit verhindern konnten, lag auch daran, dass beide Länder im Wesentlichen ihr Kriegsgerät aus ebenden USA bezogen. Jahrzehntelang gab es sogar einen festen Schlüssel, nach dem die US-Regierungen beide Länder mit Militärgerät versorgten und dadurch auch den Einsatz der Waffen steuern konnten.

Beide Länder haben sich von dieser „Bevormundung“ weitgehend „befreit“ – natürlich auch durch die Veränderung der geopolitischen Lage – und können nun ungehemmt ihre Interessen vertreten. Die Türkei hat schon länger massiv aufgerüstet und sich mit einer eigenen Rüstungsindustrie „unabhängiger“ von Lieferungen aus dem Ausland gemacht. Griechenland, durch die Finanzkrise ins Hintertreffen geraten, will nun nachlegen. Weil Emmanuel Macron sich im Konflikt mit der Türkei so enorm „solidarisch“ gezeigt hat, kauft Athen zum Dank Kampfflugzeuge und Kriegsschiffe in Frankreich.

Das Ganze ist nicht nur hochgefährlich, sondern auch ohne Krieg schon fatal für die Bewohner beider Länder. Das Geld fehlt für die Versorgung, die Wirtschaft liegt in Griechenland und in der Türkei am Boden.

Nach dem Motto „Nationalismus ist das Brot der Armen“ heizen der türkische Präsident Erdoğan und der konservative griechische Ministerpräsident Mitsotakis den Konflikt immer weiter an. Die EU schaut zu und lässt Macron mitzündeln, statt energisch das Vakuum zu füllen, das der Rückzug Washingtons hinterlassen hat. Da wünscht man sich doch fast die alten Amis zurück.

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Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
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7 Kommentare

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  • Die seevölkerrechtliche Normen bestimmen sich hier nach der Genfer Seerechtskonvention von 1958. Diese Regelung haben beide Staaten anerkannt. Das internationale Seerecht nach dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ) von 1982 ist von den Türken abgelehnt worden bzw. nicht anerkannt worden.

    Viele griechische Inseln (Samus, Lesbus usw. ) liegen so nah, in Sichtweite vor dem Festland der Türkei, dass sich griechische und türkische Hoheitsgewässer überschneiden. Da aber die griechischen Inseln auf dem türkischen Festlandsockel liegen, verfügen sie damit über keine eigene Außenwirtschaftszone (AWZ). Die Festlandsockelgeschichte ist auch wissenschaftlich belegt.



    Alleiniges Anrecht auf die Nutzung der Bodenschätze am Meeresgrund hätte demnach die Türkei.

    In der Vergangenheit konnte durch den Einfluss der USA, die Türkei von der Durchsetzung seiner Rechtsansprüche abgehalten werden. Die Türken haben sich zunehmend von der westlichen, insbesondere vom US Einfluss emanzipiert.



    Ich kann das nachvollziehen, dass die Türken, Griechenland nicht mehr um Erlaubnis bitten wollen, wenn sie von ihrer Küstenlinie aus, also vom Festland her ins Wasser zum Baden wollen. Dieser griechischen Fantasie sollten die EU-Staaten eine klare Absage erteilen, statt Öl ins Feuer zu gießen, im Wissen, dass man im Falle des Falles den Griechen nicht militärisch Beistand leisten wird.

  • Ach, und wer bitte soll denn "das Vakuum füllen, das die Amis hinterlasssen haben"? Was da angedeutet wird, nennt man ehrlicherweise Militärpräsenz. Das sollte so auch mal gesagt werden. Und wer soll diese Präsenz bringen? Frankreich hat kein Geld, und Deutschland hat keine Armee oder Marine die in irgendeiner Form einsatzfähig ist, Dank Merkel, vd Laien., Kramp usw etc. Merkel scheint sich eh auf ihrem Planeten zu befinden, der sich irgendwo hinter dem Mond um sich selbst dreht. Italien hält sich anscheinend raus., hat aber Flugzeugräger die hier etwas bewirken könnten. Das scheitn aber auch keinen zu interessieren.



    Ergo, Sicherheitspolitik ist auch in Europa nicht einfach, und wer keine Schlagkraft hat wird nicht ernst genommen. Aber diese Einsicht bleibt wohl weiten Teilen der bundesdeutschen Politik nach wie vor verwehrt. Scheuklappen sind halt was Schönes, nur kriegt man wenn man sie immer trägt irgendwann ganz fürchterlich einen von der Seite verpasst.

    • @Gerald Müller:

      Die EU Staaten haben zusammen wesentlich mehr Militär als die Türkei...

  • Es ist ganz einfach. Die EU muss klar machen, dass sie bereit ist, Griechenland, also ihr Territorium, zu verteidigen. Dann zieht Erdogan auch den Schwanz ein.

    Macron macht das schon richtig. Die Bundesregierung eiert wieder einmal rum und raubt damit allen Sonntagsreden von einer gemeinsamen europäischen Verteidigung jede Bedeutung.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Erstens einmal verweise ich auf den Kommentar von Nico Frank. Zweitens mag ich keine Kriegstrommler und für einen griechischen Nationalismus sehe ich wenig Anlass militärisch vorzugehen.



      Und zuletzt ist es auch politisch nicht sinnvoll Erdogan den Gefallen zu tun und seiner miserablen Innenpolitik den Deckmantel des großen europäischen Feindes zu nähen, wo ihm langsam die Mehrheiten schwinden.



      Warum keiner nachdenkt? Keine Ahnung, ist wohl zu kompliziert für manche.

      • @Hampelstielz:

        Für Leute wie Erdogan ist verhandeln schon Schwäche. Er wird also immer mehr fordern. Deshalb muss man ihm sehr schnell und deutlich zeigen, wo die Grenze verläuft.

        Ich bin ganz selten dafür, militärisch zu drohen. Aber hier geht es nicht anders. Eine andere Sprache versteht der Mann nicht.

        PS: Die Rechtsauffassung von Nico Frank mag zwar im Interesse der Türkei sein, deckt sich aber leider nicht mit der Rechtsauffassung der meisten Staaten.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Das ist die übliche Rechtsauffassung, was Hoheitsgebiete angeht. Weshalb Griechenland hier im Vorrecht sein sollte erschließt sich nicht. Du forderst sehr schnell die kriegerische Auseinandersetzung.