: Polizei steht auf Gästelisten
In Bremen und Niedersachsen nutzt die Polizei Corona-Gästelisten für strafrechtliche Ermittlungen
Sogenannte Corona-Gästelisten, die in Restaurants und Cafés zum Nachverfolgen von Infektionsketten ausliegen, können in Niedersachsen und Bremen im Einzelfall auch für polizeiliche Ermittlungen genutzt werden. Während die Polizei in Bremen in den vergangenen Monaten bereits vereinzelt auf die Listen zurückgegriffen hat, sind solche Fälle in Niedersachsen nicht bekannt, teilten die Innenbehörden beider Länder mit.
Um die Nutzung der Daten ist eine Diskussion entbrannt. Denn eigentlich sind die Angaben vorrangig für örtliche Gesundheitsämter bestimmt und eine wichtige Recherchequelle im Fall eines Corona-Ausbruchs. Und meistens wird auf den Formularen Vertraulichkeit und eine Löschung nach vier Wochen zugesichert. Zugriffe der Polizei auf die Daten sind in einigen Bundesländern in begründeten Fällen aber erlaubt.
In Bremen ging es dabei jeweils um die Aufklärung von Straftaten, unter anderem eines Sexualdelikts und einer gefährlichen Körperverletzung, wie die Innenbehörde mitteilte. Die Beschlagnahmung oder Einsichtnahme erfolgte dabei nach den entsprechenden Regelungen.
Auch in Niedersachsen ist ein Zugriff auf die Gästelisten im konkreten Einzelfall möglich, dabei spielt aber die Erheblichkeit der vorliegenden Gefahr sowie die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs eine Rolle, betonte ein Sprecher des Innenministeriums. Tatsächlich sei dem Ministerium noch keine Nutzung von Gästelisten durch die Polizei bekannt.
Unachtsam offengelegt
Der Sprecher der Landesbeauftragten für den Datenschutz in Niedersachsen, Philip Ossenkopp, weiß hingegen von zwei Fällen. Die Nutzung der Coronalisten durch die Polizei sei möglich, sagt er, wenn es um das Aufklären einer Straftat im Restaurant oder im Umfeld gehe. Über die Listen könne etwa ein möglicher Zeuge gesucht werden, die Strafprozessordnung ermögliche so einen Zugriff. Nicht erlaubt sei allerdings ein unspezifischer Zugriff der Ermittler auf umfangreiche Listen.
Die meisten Verstöße, die der Datenschutz im Umgang mit Coronalisten wahrnimmt, sind das unachtsame Offenlegen der Daten früherer Gäste, sagte Ossenkopp. Restaurantbesucher könnten dann etwa die Daten sämtlicher Besucher vom Vortag ungehindert einsehen. „Das ist der Klassiker.“ Teilweise sei es auch vorgekommen, dass Mitarbeiter oder Inhaber von Restaurants die per App hinterlegten Gästedaten zu anderen Zwecken missbraucht hätten. Dabei sei es etwa um das Anbahnen privater Kontakte gegangen. „Das sind Dinge, die nicht gehen, die Daten sind nur für die Covid-Ermittlungen bestimmt“, betonte der Datenschutzsprecher. (dpa/taz)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen