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Der große CO2-Ablasshandel

Der „Bremer Klimafonds“ soll helfen, CO2-Emissionen auch innerhalb von Bremen zu kompensieren. Das Geld kommt zwar zusammen, es fehlen aber Einrichtungen, die sich darauf bewerben

„In den Vereinen ist niemand für Energie zuständig“

Martin Schulze, „Umwelt Unternehmen“

Von Lotta Drügemöller

„Klimaneutral“ – dieses Zertifikat trägt seit Mittwoch ein Software-Unternehmen aus der Überseestadt für das Jahr 2018. Treibstoff für Dienstreisen, Energie für Heizung in Büroräumen, Strom für Serverparks und PCs – es ist, als wäre all das nie verbraucht worden. Das zumindest ist die Idee hinter dem Bremer Klimafonds: Unternehmen zahlen eine Art Ablass für jede produzierte Tonne CO2; mit dem Geld werden anderswo Energiesparmaßnahmen finanziert.

Das Prinzip ist aus der Kompensation von Flügen bekannt. Beim Klimafonds allerdings kommt ein Großteil der Mittel lokalen Vereinen zugute. „Bevor wir Brasilien aufforsten, wollen wir Bäume in Bremen pflanzen“ – diese Einstellung höre sie oft, so Umweltsenatorin Maike Schaefer (Grüne). Auch Hinrich Meisterknecht sieht das so. „Wenn schon, dann doch lokal“, so der Vorstand der „Abat AG“.

Der Software-Dienstleister aus der Überseestadt hat seine 1.600 Tonnen CO2-Emissionen aus 2018 nun kompensiert. 25 Euro kostete das pro Tonne, 40.000 Euro gesamt. Ein großer Batzen für den Klimafonds: Seit 2010 gab es bisher insgesamt nur 120.000 Euro zu verwalten. Zwar habe man, so Meisterknecht, eigentlich nicht auf Ausgleichszahlungen setzen wollen – doch auf Flüge oder Dienstfahrten wolle man auch nicht verzichten.

Zertifikate ermöglichen so eine saubere Weste ohne echte Verhaltensänderung. Geld für Klimaschutzprojekte kommt trotzdem dabei rum. Von dem Geld habe etwa die Kita „Drachenkinder“ ihre alte Beleuchtung durch LEDs ersetzt. 700 Euro jährlich spare die Einrichtung ein – und drei Tonnen CO2.

Auch wenn sich diese Einsparung jährlich wiederholt: Bis so allein die 1.600 Tonnen Treibhausgas der Abat AG erreicht sind, müssten einige hundert Kitas ausgestattet werden. Dafür würde das Geld, 25 Euro pro Tonne, nicht reichen. Dass der CO2-Ausstoß lokal ausgeglichen wird, stimmt deshalb nicht. Zwar gehen 80 Prozent des Geldes an Bremer Vereine, die eigentliche Kompensation findet aber über die Agentur „Klima Invest“ bei Projekten in Entwicklungsländern statt. Die Einsparmaßnahmen innerhalb von Bremen kommen obendrauf.

Dieses Jahr sieht sich das „Umwelt Unternehmen“, das den Klimafonds organisiert, dank der großen Einzelspende von Abat vor einem speziellen Problem: Es gibt nicht ausreichend Abnehmer für das Geld. Voraussichtlich 65.000 Euro werden 2020 zusammenkommen, aber nur wenige Einrichtungen bewerben sich darauf.

„In den Vereinen ist niemand für Energie zuständig“, erklärt Martin Schulze von „Umwelt Unternehmen“. Soziale und kulturelle Einrichtungen, die den Austausch von Heizungen oder Dämmmaßnahmen bisher aufgeschoben haben, sollten, so Schulze, „einfach mal anrufen“. Die Chance auf Geld sei groß.

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