Motorradtaxis in Uganda: Zittern vor den Boda-Bodas

Die Motorradtaxifahrer in Ugandas staugeplagter Hauptstadt Kampala sind für die Behörden potenzielle Virenträger – und Regierungsgegner.

Auf einem Motorrad sitzt ein Mann mit Helm, auf dem Rücksitz eine Frau ohne Helm.

Für tausende junge Männer eine Erwerbsquelle, jetzt durch Corona bedroht: Motorradtaxis in Uganda Foto: Nicholas Kajoba/Xinhua/imago

BERLIN taz | „Erst durften wir monatelang nicht arbeiten und konnten unsere Familien nicht ernähren, und jetzt das!“, regt Steven Ssentongo sich auf. Der 25-jährige Motorradtaxifahrer aus Uganda ist wütend auf die „korrupten Politiker, die nie an uns Leute ganz unten denken“.

Uganda öffnet sich nach knapp acht Wochen Ausgangssperre nur langsam. Die Ausgangssperre wurde im Mai auf wenige Stunden nachts reduziert, Geschäfte und Restaurants sind wieder geöffnet. Minibusse und Taxis, auch Motorradtaxis, durften bislang jedoch keine Passagiere mitnehmen. Dies ist jetzt wieder erlaubt.

Doch Präsident Yoweri Museveni hat neue Regeln eingeführt: Fahrer und Passagiere sollen neben Helmen auch Masken tragen. Motorradtaxifahrer werden registriert, die Sitze nach jeder Fahrt desinfiziert, die Kontaktdaten aller Passagiere aufgezeichnet. Und: Die staugeplagte Innenstadt bleibt für sie gesperrt.

Dies macht Ssentongo jetzt das Leben schwer: „Alle Kontakte aufzuschreiben kostet Zeit, und die meisten meiner Fahrten gehen in die Innenstadt“, klagt er. Immerhin: Er kann schreiben. Aus den ländlichen Re­gio­nen wurde bekannt, dass Motorradfahrer Lehrer anheuern und bezahlen müssen, um ihnen das Schreiben beizubringen oder die Registerbücher für sie zu führen. Da die Schulen geschlossen sind, sind die meisten Lehrer arbeitslos und brauchen das Geld.

1.000 Motorräder beschlagnahmt

„Boda-Boda“ werden die Motorradtaxen in Uganda genannt, abgeleitet von dem englischen Wort „Border“ (Grenze). Früher galten sie als typisches Transportmittel über die Grenzen nach Kenia und Tansania, weil Autos nicht durchgelassen wurden. Mittlerweile sind sie in Uganda das beliebteste Verkehrsmittel. Allein in Kampala, wo auf den engen Straßen zu Hauptverkehrszeiten kaum ein Durchkommen ist, sind über 200.000 unterwegs. Sie schlängeln sich im Stau hindurch, zur Not geht’s über den Bürgersteig.

Boda-Bodas sind in Uganda, wo drei Viertel der Bevölkerung unter 30 Jahre alt sind und viele kein Einkommen haben, der größte Erwerbssektor für junge Männer. Besonders für diejenigen, die wie Ssentongo nur die Grundschule besucht haben und kaum lesen und schrei­ben können. Der Sektor ist damit nicht nur wirtschaftlich wichtig, sondern auch politisch: Er fängt die ungebildeten jungen Männer auf, die sonst gern zur Waffe greifen.

Mehrere Motorradfahrer mit Mundschutzmasken stehen in einer Reihe. Einer hält ein Fläschchen hoch.

Mund-Nasen-Schutz, Desinfektionsmittel: neue Utensilien für Ugandas Boda-Bodas Foto: Nicholas Kajoba/Xinhua/imago

Doch jetzt sind Ugandas Boda-Boda-Fahrer die Verlierer der Coronakrise. Bereits Ende Juli machte Betty Amongi, Ministerin für Kampala, die Innenstadt boda-boda-frei: „Dort herrscht dichtes Gedränge und eine hohe Menschenansammlung“. Polizisten wurden stationiert, um Fahrer zu stoppen. Knapp 1.000 Motorräder wurden allein an einem Wochenende beschlagnahmt.

Musatafa Mayambala, Vorsitzender der Transportbehörde (Utrada), die für Bodas zuständig ist, wirft der Stadtverwaltung Kampalas vor, die Regeln nicht mit den Betroffenen abgesprochen zu haben. „Das ist unfair“, sagt Mayambala. Er fordert Gespräche, sonst drohten Streiks und Proteste, warnt er.

Straßenschilder, neue Regeln, höhere Preise

Dies hat die Regierung hellhörig gemacht. Ugandas Boda-Fahrer gelten als Anhänger der Opposition und waren bereits in der Vergangenheit für zahlreiche Aufstände in Kampala verantwortlich. Anfang 2021 sind Wahlen angesetzt, die in Uganda regelmäßig mit gewaltsamen Protesten einhergehen. Präsident Yoweri Museveni bemüht sich nach dann 35 Jahren an der Macht um eine weitere Amtszeit.

Um die Gemüter zu beruhigen, mischte sich Transport­minister Katumba Wamala ein und setzte eine Dreimonatsfrist bis November. Bis dahin sollen alle Boda-Fahrer landesweit regis­triert werden, neue Nummernschilder erhalten und sich an die neuen Regeln halten müssen. Und man werde bis dahin Straßenschilder aufstellen, die die boda-freien Zonen kennzeichnen. Doch Amongi betonte noch einmal, dass sie keine Nachsicht walten lasse: „Alle Boda-Boda-Fahrer müssen sich an diese Regeln halten.“

Steven Ssentongo hat also gar keine Wahl. Er hat sich Stifte, ein Notiz­buch und Desinfek­tions­spray gekauft und sagt: „Ich muss wohl jetzt meine Preise erhöhen, um nicht nur meine Anschaffungen, sondern auch die verlorene Zeit wettzumachen.“

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