Greenpeace kritisiert Rüstungsexporte: Jahrzehntelange Verstöße

Deutschland übergeht seit 30 Jahren die selbstgesetzten Exportrichtlinien für Rüstungsgüter. Das zeigt eine Studie im Auftrag von Greenpeace.

ein aufs Gehwegpflaster gemalter Panzer mit der Aufschrift "Legt den Leo an die Kette"

Protest gegen Rüstungexporte im Mai am Brandenburger Tor in Berlin Foto: Paul Zinken/dpa

HAMBURG afp | Deutschland verstößt einer Studie zufolge seit 30 Jahren systematisch gegen zentrale Grundsätze zu Rüstungsexporten. Dies ergab eine Untersuchung des Leibniz-Instituts Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) für Greenpeace, wie die Organisation am Sonntag mitteilte. „Deutschland genehmigt und exportiert Kriegswaffen und Rüstungsgüter in Kriegs-und Krisenländer, in Staaten mit Menschenrechtsverletzungen und in Spannungsregionen“, heißt es in der Untersuchung.

In der Studie geht es insbesondere um den Einklang der deutschen Rüstungsexportpolitik seit 1990 mit dem Gemeinsamen Standpunkt der Europäischen Union zu diesem Thema. Dieser listet acht Kriterien auf, die bei der Genehmigung von Rüstungsexporten zu berücksichtigen sind.

Genannt werden unter anderem „Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts durch das Endbestimmungsland“ sowie „Aufrechterhaltung von Frieden, Sicherheit und Stabilität in einer Region“. In der Untersuchung heißt es, Deutschland habe „wiederholt gegen diese Kriterien verstoßen“.

In der Studie sind konkrete Beispiele aufgeführt, „in denen mit deutschen Waffen Krieg geführt und schwere Menschenrechtsverletzungen begangen wurden“. So sei die Polizei in Mexiko im September 2014 mit G-36-Sturmgewehren aus deutschen Lieferungen gewaltsam gegen Studentenproteste vorgegangen und habe zahlreiche Studenten erschossen.

Auch im Bürgerkriegsland Jemen werden laut der Studie Waffen benutzt, die aus Deutschland stammen. Zudem seien Altbestände der Bundeswehr und der Nationalen Volksarmee der DDR zum Teil an Drittstaaten abgegeben worden. Damit werden Länder bezeichnet, die weder EU- noch Nato-Mitglieder und diesen auch nicht gleichgestellt sind.

„Das grundsätzliche Verbot aus dem Jahr 1971, Kriegswaffen aus Deutschland an Nicht-Nato-Staaten zu liefern, ist einem komplizierten Regelwerk aus Gesetzen, politischen Grundsätzen und verschiedenartigen Verfahren gewichen, die auf europäischer und internationaler Ebene um weitere Regelwerke ergänzt werden“, heißt es in der Studie.

Exporte im großen Umfang

Seit 1990 seien in großem Umfang Kriegswaffenexporte in Drittstaaten genehmigt worden. „Dabei sollten solche Fälle eigentlich eine Ausnahme bleiben, sind aber mit Genehmigungswerten von rund 60 Prozent in manchen Jahren zum Regelfall geworden.“ Die Studienautoren fordern ein einheitliches und rechtlich verbindliches Rüstungsexportkontrollgesetz, „das dann auch rechtlich durchgesetzt werden muss, so dass deutsche Rüstungsexporte nicht in problematische Drittstaaten gelangen“.

„Deutsche Waffen tauchen systematisch in Kriegsgebieten und in den Händen von Diktatoren auf“, erklärte Greenpeace-Abrüstungsexperte Alexander Lurz. „Wir brauchen dringend ein strenges Rüstungsexportgesetz, das den Export in Drittstaaten verbietet und diese bewusste, systematische Aushöhlung der Exportrichtlinien beendet.“

„Diese Studie lässt nur einen Schluss zu: die Ausnahmen in den Rüstungsexportrichtlinien werden als Freibrief für jeglichen Waffenexport gebraucht“, sagte die Linke-Außenpolitikerin Sevim Dagdelen der Nachrichtenagentur AFP. „Das ganze Kontrollsystem ist krank, egal welche Koalition die Regierung stellt.“ Dagdelen bekräftigte die Forderung ihrer Fraktion nach einem generellen Verbot von Rüstungsexporten.

Innerhalb der Bundesregierung ist das Wirtschaftsministerium federführend für Rüstungsexporte zuständig. Ein Sprecher wollte die Greenpeace-Studie auf AFP-Anfrage nicht kommentieren. „Die Bundesregierung verfolgt eine restriktive und verantwortungsvolle Rüstungsexportpolitik“, sagte er.

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