: Von Berlin nach Berlin:Kühnert will es wissen
Der prominente Juso-Vorsitzende stellt die Machtfrage: Kevin Kühnert will sein Amt vorzeitig abgeben und 2021 von Berlin aus für den Bundestag kandidieren
Von Anja Maier
„Tritt ein, sag Nein!“ So lautete im Januar 2018 der Titel einer Juso-Kampagne. Politikinteressierte sollten SPD-Mitglieder werden, um gerade noch rechtzeitig bei der parteiinternen Urwahl gegen eine weitere Große Koalition im Bund zu stimmen. Wortführer der Kampagne war Kevin Kühnert, der Vorsitzende der Jungsozialisten.
Mittlerweile, zweieinhalb großkoalitionäre Jahre später, könnte das Motto lauten: „Bleib da, sag Ja!“ Denn Kühnert hat nun bekannt gegeben, für den Bundestag kandidieren zu wollen. Zuvor werde er den Juso-Vorsitz ein Jahr früher als geplant niederlegen, erklärte er auf Twitter. „Weil politische Ämter nicht zur Trophäensammlung werden sollten und die Jusos stark genug sind.“ Ein personeller Wechsel rechtzeitig vor der Bundestagswahl 2021 sei der „bestmögliche Zeitpunkt“, sagte Kühnert, der seit einem dreiviertel Jahr auch stellvertretender SPD-Vorsitzender ist, gegenüber dem Berliner Tagesspiegel. Seine Nachfolgerin oder sein Nachfolger – er plädiert für eine Frau – hätte es verdient, „dem SPD-Wahlkampf den eigenen Stempel aufzudrücken“.
Wenn man auch davon ausgehen kann, dass Kevin Kühnerts Entscheidung keine spontane ist, so ist deren Umsetzung alles andere als ein Selbstläufer. Sein Wunsch, im Herbst 2021 im Berliner Bundestags-Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg anzutreten, sei vom SPD-Kreisvorstand „sehr wohlwollend“ aufgenommen worden, sagte er dem Tagesspiegel. Der Bezirk ist indes die politische Heimat von Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller. Und der will sehr wahrscheinlich ebenfalls in den Bundestag. Es wird also mindestens Gerangel um den ersten und den zweiten Listenplatz geben. Bisher hat Bundesfamilienministerin Franziska Giffey die besten Aussichten auf Platz eins. Aber klar ist auch, dass der Landesverband mit Kühnert ein prominentes Zugpferd für die Bundestagswahl bekäme.
Der Wahlkreis ist auch deshalb interessant, weil dort schon jetzt überregional profilierte PolitkerInnen das Sagen haben. Tempelhof-Schöneberg ist gutes altes Westberlin, wo das liberale, weltoffene Bürgertum auf queere Lebenskultur und einstige HausbesetzerInnen trifft. Hier hat die Grünen-Politikerin Renate Künast ihr Wahlkreisbüro, aber auch der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion Jan-Marco Luczak. Er hat den Wahlkreis 2017 zum dritten Mal direkt gewonnen.
Gegenüber dem Tagesspiegel macht Kühnert klar, dass er sich für Rot-Grün-Rot im Bund einsetzen will. „Mit einer SPD-Alleinregierung wird es wohl schwierig, insofern kann das doch ein guter Kompromiss sein“, sagte er. „Ich bin sehr dafür, dass die Union nach 16 Jahren im Kanzleramt die Gelegenheit erhält, mal die eine oder andere Ehrenrunde in der Opposition zu drehen. Die FDP unter Christian Lindner regiert bekanntlich lieber nicht, als sich die Hände schmutzig zu machen, und für Rot-Grün alleine wird es 2021 vielleicht nicht reichen.“
Gegenüber der Nachrichtenagentur AFP kritisiert der Kandidat in spe aber auch das wiederholte Vorpreschen von SPD-Politikern zugunsten einer Kanzlerkandidatur von Finanzminister Olaf Scholz. „Wir haben ein Verfahren vereinbart.“ Es sei offensichtlich sehr schwierig für manche, sich daran zu halten. Er verweist darauf, dass die Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans in den kommenden Wochen einen Vorschlag unterbreiten würden. Darüber solle dann zunächst in den Parteigremien beraten werden. „Mir bringt eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung nichts, wenn sie am Ende keine sozialdemokratische Politik macht.“
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