Kommentar von Alke Wierth zum Rücktritt von Bausenatorin Lompscher
: Keine Frage derEhre

Alke Wierth ist Redakteurin und Chefin vom Dienst der taz Berlin.

Sie habe einen „schweren persönlichen Fehler“ gemacht, der ihre weitere Arbeit „dauerhaft überschatten“ würde – so lautete Katrin Lompschers Erklärung für ihren Rücktritt als Bausenatorin. Das ist richtig. Dennoch war ihr Rücktritt ein noch größerer Fehler.

Denn die Linken-Politikerin unterwirft sich damit einem Ehrbegriff, der durch und durch patriarchalisch ist und deshalb überholt. Ihn zu akzeptieren, wie Lompscher das mit ihrem Rücktritt tut, freut vor allem die AfD, die sich jetzt als Hüterin politischer Moral gerieren kann. Zudem erspart es der CDU die Entscheidung, ob sie ins gleiche Horn stoßen oder lieber etwa Distanz zur AfD halten will.

Was ist passiert? Lompscher hat es versäumt, Vergütungen für Aufsichtsratsposten in Landesunternehmen (die sie als Senatorin von Amts wegen innehat) anteilig an das Land zurückzuzahlen, und sie hat diese auch nicht versteuert. Es geht um etwa 8.000 Euro, die sie zum Teil bereits nachgezahlt hat.

Lompscher versichert, „nicht mit Vorsatz gehandelt“ zu haben. Dass ihr nicht einmal ihre politischen Gegner*innen unterstellen, sie habe sich persönlich bereichern wollen – also moralisch falsch gehandelt –, belegt, für wie integer sie gilt. Dass sie trotzdem zurücktritt, beruht auf einer überkommenen Vorstellung moralischer Unbeflecktheit, in der ein einziger Fehler alles andere Tun einer Person entwertet und überschattet. Siehe Lompschers eigene Formulierung.

Das stimmt. Frau Lompscher wäre immer wieder mit diesem Fehler konfrontiert worden, hätte sich immer wieder erklären und rechtfertigen müssen – auch dafür, warum sie trotzdem weitermacht. Und genau dem hätte die Linken-Politikerin sich stellen sollen. Denn das hätte einem moderneren, weil menschlicheren Moral- und Politikbegriff entsprochen, anders, als aus einem altmodischen Ehrverständnis heraus wegen eines Schattens auf der weißen Weste hinzuschmeißen.