piwik no script img

Urteil zu Recht auf VergessenEine gelungene Balance

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Der BGH hat mit Augenmaß über das Recht auf Vergessen geurteilt. Das Informationsrecht gilt, Politiker können aber nicht einfach ihre Skandale tilgen.

Google winkt also nicht einfach Korrekturwünsche durch, sondern differenziert Foto: Lukas Schulze/dpa

D as „Recht auf Vergessenwerden“ hat sich bewährt. Es ist zwar erst seit 2018 gesetzlich geregelt. Doch praktische Erfahrungen gab es schon in den Jahren zuvor. Danach geht Google durchaus differenziert mit dem Wunsch von Bürgern um, unliebsame Links aus der Trefferliste zu ihrem Namen zu eliminieren.

In Deutschland gab Google bisher nur der Hälfte von über 150.000 Anträgen statt. Medien-Links blieben ganz überwiegend in den Trefferlisten. Google winkt also nicht einfach alle Korrekturwünsche durch. Das befürchtete Overblocking blieb aus. Die nun vom Bundesgerichtshof (BGH) angemahnte Einzelfallprüfung findet also lange schon statt.

Die Rechtslage ist doppelt großzügig. Auf der einen Seite kann jeder von Google verlangen, unangenehme Links aus der Trefferliste wieder zu entfernen. Es geht dabei keineswegs nur um überholte und falsche Informationen. Auch bei Peinlichkeiten und allzu Privatem kann eine Auslistung gefordert werden. Dieser Ansatz ist richtig, denn Google schafft mit seiner Trefferliste eine Art Persönlichkeitsprofil. Da ist es nur fair, wenn der Betroffene über sein Bild in der Öffentlichkeit und im Netz mitbestimmen kann.

Großzügigkeit ist aber auch auf der anderen Seite erforderlich. Sobald es um öffentliche Interessen geht, muss die Pressefreiheit und das Informationsrecht der Bürger Vorrang haben. Politiker und Manager können also nicht einfach ihre Skandale tilgen und sich so eine vermeintlich weiße Weste verschaffen. So hat es sich der Europäische Gerichtshof schon 2014 gedacht, so ist es nun auch in der Datenschutz-Grundverordnung geregelt.

Die spannenden Fragen liegen im Detail. Wie viele Jahre und Jahrzehnte kann öffentliches Interesse an einem Vorgang in der Vergangenheit unterstellt werden? Wie groß muss die „Öffentlichkeit“ sein, für die die Information relevant bleibt? Genügt ein Fachpublikum? Oder sogar die nähere Nachbarschaft? Die Antwort wird wohl auch davon abhängen, wie verantwortungsvoll die Informationen genutzt werden.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
Mehr zum Thema

0 Kommentare