Verfassungsschutz beobachtet „Ein Prozent“: Rechtsextreme Netzwerker
Der Verfassungsschutz stuft das neurechte „Ein Prozent“ als Verdachtsfall ein. Die Gruppe fördert Pegida, Asylfeinde und die „Identitären“.
Der Schritt war erwartbar. Bereits im Juli 2019 hatte der Verfassungsschutz die „Identitären“ zum rechtsextremen Beobachtungsobjekt erklärt. Im März diesen Jahres folgte der „Flügel“ der AfD und parallel das Compact Magazin von Jürgen Elsässer als Verdachtsfall. Einen Monat später wurde das Institut für Staatspolitik von Götz Kubitschek eingestuft. Und nun „Ein Prozent“. Haldenwang wirft der neurechten Szene eine „Entgrenzung einst klarer Trennlinien zwischen demokratischen, radikalen und extremistischen Positionen“ vor.
Alle diese neu eingestuften Gruppen sind eng miteinander verzahnt, verstehen sich selbst als gemeinsame „Mosaikrechte“. Bei „Ein Prozent“ zeigt sich dies ganz exemplarisch. So waren an dessen Vereinsgründung 2015 in Sachsen auch Kubitschek und Elsässer beteiligt. Ihr Ziel war, das damalige Anti-Asyl-Wutbürgertum zu vernetzen und deren Aktionen zu unterstützen.
Ein Prozent tituliert sich selbst als „Widerstandsplattform für deutsche Interessen“, eine Art Greenpeace von rechts. Das Credo, auf dem auch der Gruppenname fußt: Es reiche ein Prozent der Bevölkerung, um die eigene Agenda durchzusetzen.
Wettern gegen „die politische Kaste“
Als Gesicht fungiert Philip Stein, ein Verleger und Burschenschaftler. In Videos, Podcasts und Blogs gibt er seine Plattform betont modern. Inhaltlich werden aber alle Ressentiments der neurechten Szene geteilt: eine Herabwürdigung von Migranten und Muslime, ein Wettern gegen den „Antifa-Mob“ oder „die politische Kaste“. Auch die jüngsten „Black-Lives-Matter“-Protest tut „Ein Prozent“ als „Massenwahn“ ab.
Die Gruppe ist auch verbandelt mit dem rechtsextremen AfD-Flügel um Björn Höcke. „Ihr seid die, die uns den Rücken freihalten“, dankte Höcke nach der jüngsten Thüringen-Wahl dem Netzwerk. Ein Prozent fördert auch Aktionen von Pegida, Moscheegegnern in Erfurt, Geflüchtetenfeinden in Cottbus oder rechten Gewerkschaftern in Baden-Württemberg.
Und das auch finanziell: So will die Gruppe 2018 rund 380.000 Euro Spendengelder an „patriotische Projekte“ weitergegeben haben, etwa für Demomaterial oder Prozesskosten. 48.000 Personen sollen den Verein nach eigener Auskunft unterstützen. Die Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen, aber sie deuten an, wie weit die Gruppe vernetzt ist.
Trotzdem konnte die Gruppe lange ungestört agieren. Auch der Verfassungsschutz brauchte fast fünf Jahre, bis er nun reagierte. Auf Facebook und Instagram war „Ein Prozent“ dagegen seit einigen Monaten als „Hassorganisation“ gesperrt. Der Verein klagte dagegen – und verlor Mitte Juni letztinstanzlich vor dem Oberlandesgericht Dresden. Die Einstufung sei gerechtfertigt, da „Ein Prozent“ darauf ziele, Personen aufgrund ihrer ethnischen Abstammung oder Religion anzugreifen, befanden die Richter. Laut eigenen Angaben kostete „Ein Prozent“ der Rechtsstreit 100.000 Euro.
Nun gibt es auch noch Ärger mit dem Verfassungsschutz. Schon nach den letzten Einstufungen im neurechten Spektrum hatte „Ein Prozent“ den Geheimdienst als „Diffamierer von Oppositionellen“ geschmäht. Anführer Philip Stein beschwor in einem Video als Gegenmittel die Solidarität unter den Neurechten. „Es sollte uns völlig egal sein, ob uns dieses Werkzeug der Etablierten, dieses Werkzeug der Einheitsparteien, beobachtet oder eben nicht.“
In der AfD hat die Verfassungsschutzbeobachtung des „Flügels“ indes große Unruhe ausgelöst, auch die „Identitären“ befinden sich im Niedergang. Wie lange „Ein Prozent“ durchhält, wird sich zeigen.
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