Antidopinggesetz der USA: Streit unter Saubermachern

Die USA planen ein Gesetz, mit dem auch Funktionäre aus dem Ausland verfolgt werden können. Gedroht wird auch der Weltantidopingagentur.

Ein Gewichtheberin bei einem Wettbewerb.

Gewichtheben, ein behelligter Sport mit unbehelligten Funktionären, hier bei der WM 2020 in Rom Foto: Claudio Bosco/IPA/imago

Die Antidopingwelt ist in Aufruhr. Die USA wollen die finanzielle Unterstützung der Weltantidopingagentur Wada einstellen oder zumindest kürzen. Parallel liegt dem US-Kongress ein scharfes Antidopinggesetz zur Abstimmung vor. Es würde US-Ermittlern auch den Einsatz gegen Hintermänner und Dopingnetzwerker aus dem Ausland ermöglichen. Die Wada wiederum, oberste Antidopinginstitution in globalem Maßstab, ist gegen das Gesetz. Verrückt.

Aufklärung kann Travis Tygart bringen. Der Chef der US-Antidopingagentur Usada ist so etwas wie der meistdekorierte Antidopingjäger. Seine Ermittler brachten den Radler Lance Armstrong zur Strecke, hoben das Balco-Labor aus, das Dopingpräparate für die Leichtathletikstars um Marion Jones herstellte. Auch die Machenschaften im Nike Oregon Project der Lang- und Mittelstreckenläufer wurden aufgedeckt.

Tygart selbst ist nicht glücklich über die angedrohten Kürzungen. „Wir alle wollen mehr Geld, niemand will weniger“, sagte er der taz. „Aber wir wollen nicht unter den gegenwärtigen Bedingungen weitermachen“, betonte er auch. Tygart wirft der Wada ein zu langsames Reformtempo vor. Als entscheidende Kritikpunkte nennt er: „unzureichende Athletenbeteiligung, Unabhängigkeit und Transparenz“. Das hatte auch ein Bericht des Büros für Nationale Drogenkontrollpolitik der US-Regierung (ONDCP) angemahnt.

Die Wada wehrte die Kritik ab. Gegenüber der taz betonte ein Wada-Sprecher, dass die Reformen im beschlossenen Tempo vorangingen: „Ein Athletenvertreter sitzt bereits stimmberechtigt im Exekutivkomitee der Wada. In jedem anderen Komitee sitzt mindestens ein Athletenvertreter.“ Das ist ein Fortschritt. In der Vergangenheit hatten Athletensprecher und -spre­cherinnen immer wieder Frustration über mangelndem Einfluss geäußert.

Die kanadische Skilangläuferin Beckie Scott, vier Jahre lang Vorsitzende der Wada-Athletenkommission, verabschiedete sich im vergangenen Jahr mit einem Appell für mehr Transparenz und mehr Gehör auch von kritischen Stimmen. Um Reformen in dieser Richtung weiter voranzutreiben, drohen die Washingtoner Drogenjäger des ONDCP mit der Kürzung der jährlich 2,7 Millionen Dollar Zuwendung an die Wada. Man kann darüber streiten, ob Subventionsentzug das beste Mittel zur Beschleunigung von Reformen ist. Das ist aber zumindest der Hintergrund dieses Streits.

Gewichtheber bei einem Wettbewerb.

Die Probleme um den IWF sind schwerwiegender als die Kilos, die hier bei der WM 2020 gestemmt werden Foto: Claudio Bosco/IPA/imago

Zweiter Streitpunkt ist der „Rodchenkov Act“. Der Gesetzentwurf, benannt nach dem Kronzeugen im russischen Dopingskandal Grigori Rodtschenkow sieht Gefängnisstrafen von bis zu zehn Jahren und Geldstrafen bis zu 1 Million Dollar für Hintermänner im Doping vor. Usada-Chef Tygart erläutert den Wert des Gesetzes mit dem jüngsten Skandal im Gewichtheben. Der Ungar Tamás Aján führte 45 Jahre lang den Internationalen Gewichtheberverband, erst als Generalsekretär, dann als Präsident. „Wie der Mc­Laren-Report herausfand, unterschlug Ajan 10 Millionen Dollar und vertuschte 40 Dopingfälle. Dann geht er einfach in den Ruhestand, ohne dass er sich für seine Taten verantworten muss.“ Diese Art Straflosigkeit für Funktionäre könne das neue Gesetz beenden.

Ende der Straflosigkeit für korrupte Funktionäre

Der Fall Ajan hat eine noch pi­kan­tere Komponente. Der als Dopingvertuscher aktive Sportfunktionär war Mitgründer der Wada und saß von 1999 bis 2017 in deren Stiftungsrat. Ty­gart vergleicht diese Konstellation gern mit „dem Fuchs, der den Hühnerstall bewacht“.

Die Wada soll transparenter werden. Athletinnen sollen mehr Einfluss erhalten.

Die Wada kritisiert, dass der US-Gesetzentwurf die inter­nationale Antidopinggesetzgebung in ein Chaos brächte. Tatsächlich würden sich Teile von na­tio­naler und internationaler Gesetzgebung überlagern.

Die Vorteile, die der Rodchenkov Act bietet, liegen ebenfalls auf der Hand: ein Ende der Straflosigkeit für korrupte Sportfunktionäre. Die Nationale Antidopingagentur Deutschlands (Nada) lehnt deshalb das Gesetz nicht pauschal ab, sondern mahnt zur Kooperation. „Welche möglicherweise gravierenden Auswirkungen dieser ausgedehnte Anwendungsbereich für andere Länder haben kann, ist derzeit nicht absehbar.

Im Sinne einer international möglichst einheitlichen Antidoping-Arbeit ist es aus unserer Sicht deshalb wichtig, die Rechtsfolgen des sogenannten Rodchenkov Acts vor Inkrafttreten des Gesetzes in den internationalen Antidoping-Gremien, wie dem Europarats und der Wada, umfassend und transparent zu erörtern und mögliche Kooperationsmodelle, zum Beispiel zwischen den USA und Europa, frühzeitig festzulegen“, teilt die Nada mit.

Da ist sie als nationalen Organisation offensichtlich weiter, als die internationale Dachorganisation. Es gibt also noch einiges aufzuräumen im Antidopingbusiness. Die Zeit drängt. Der Rodchenkov Act soll in diesem Jahr verabschiedet werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.