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It’s getting hot in here

Die Ostsee und die Nordsee werden immer wärmer – in den letzten 30 Jahren stieg die Temperatur hier im Schnitt um 1,3 Grad. Einige Fischarten fliehen nun bereits in kühlere Gewässer. Schwer getroffen von dieser Entwicklung ist der Kabeljau

Von Lotta Drügemöller

Eine Erwärmung von 1,5 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts, das scheint Klimawissenschaftler*innen auf globaler Ebene gerade noch erträglich. Auf regionaler Ebene wurde diese Zielzahl bereits gesprengt – direkt vor unseren Küsten. Seit 1982 sind etwa die Wassertemperaturen in der westlichen Ostsee um 1,6 Grad an der Oberfläche gestiegen; in 20 Metern Tiefe ist das Wasser sogar 1,9 Grad wärmer. In der Nordsee beträgt der Unterschied seit 1969 etwa 1,3 Grad. Das zeigt eine Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf die Anfrage der Bundestagsabgeordneten Steffi Lemke (Grüne).

Ein herausragend heißer Jahrgang an der Messstation Ems war dabei das vergangene Jahr; der Temperaturausschlag ging zu keinem Zeitpunkt seit 1990 so hoch wie 2019. „Nord- und Ostsee erhitzen sich in besorgniserregendem Tempo“, so Lemke. „Wenn sich der Temperaturanstieg fortsetzt, drohen in Nord- und Ostsee massive Veränderungen der Meeresumwelt.“

Die regionalen Unterschiede sind groß: Während die Temperaturen an der seichten Oderbank seit 1990 um 5,3 Grad gestiegen sind, sind sie am Fehmarnbelt sogar leicht gesunken. Insgesamt aber ist die Erwärmung deutlich.

Die Ergebnisse sind für Karl-Michael Werner wenig überraschend. „Klimaerwärmung ist nicht abstrakt“, sagt der Fischereibiologe vom Thünen-Institut. „Es ist nichts, was irgendwann in der Zukunft oder irgendwo anders stattfindet. Wir sehen die Effekte bei unseren Forschungsfahrten jetzt in unseren Meeren.“ Sardinen und Sardellen, Tintenfische und Streifenbarbe schwimmen jetzt immer häufiger durch Nord- und Ostsee, lange waren sie weiter südlich zu Hause. Beim Seehecht ist diese Entwicklung besonders beeindruckend: Seine Zahl in der Nordsee hat sich seit 2008 verachtfacht.

Dafür verschwinden alte Bekannte: Für Heringe und Kabeljau wird es vielerorts zu warm. Mittlerweile, so Werner, ist es beim Kabeljau mehr als 20 Jahre her, dass ein „starker Jahrgang“ geboren wurde: Seit Mitte der Neunziger überleben nur sehr wenige Jungfische das erste Jahr.

Der Kabeljau ist nicht einfach weg, sein Verbreitungsgebiet schiebt sich weiter in den Norden. Fischer, die auf bestimmte Arten spezialisiert sind, sollten sich umstellen – oder umziehen, den Fischen hinterher.

Die Verschiebung der Lebensräume scheint bisher einigermaßen zu funktionieren, auch wenn nicht alle Teile eines Ökosystems gleichzeitig umziehen können. Die Verlagerung der Kälte liebenden Arten in Richtung der Pole hat allerdings ihre Grenzen: „Schwierig wird es wohl für arktische Spezialisten“, vermutet Werner. „Wenn andere Arten in ihre Rückzugsräume kommen, können sie nicht noch weiter in den Norden – irgendwo ist Schluss.“

Neben regionalen Schwankungen spielen auch Unterschiede zwischen einzelnen Jahren eine Rolle. Wie sehr ein herausragender Hitzesommer Meerestiere beschäftigt, ist allerdings nicht pauschal zu beantworten. „Für erwachsene Fische ist ein Anstieg wahrscheinlich nicht so schlimm, die können ausweichen“, so Werner. Einen Einfluss haben könnten Temperaturausreißer aber etwa auf Plankton und Fischeier.

„Wenn sich der Temperaturanstieg fortsetzt, drohen in Nord- und Ostsee massive Veränderungen der Meeresumwelt“

Steffi Lemke, Grüne

Dass der Nachwuchs besonders gefährdet ist, bestätigt Flemming Dahlke; erst vergangene Woche hat der Meeresbiologe beim Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven eine Studie veröffentlicht, die sich genau damit beschäftigt: Er und sein Team haben 700 Fischarten daraufhin untersucht, wie empfindlich sie in unterschiedlichen Lebensphasen auf Temperaturanstiege reagieren. „Jede Art hat eine Toleranzgrenze“, so Dahlke. „Aber die ist nicht immer gleich groß.“

In den Stadien der Fortpflanzung sind die Fische schlecht auf Temperaturschwankungen zu sprechen: Fischembryos etwa fehlen die Kiemen, um zusätzlichen Sauerstoff aufzunehmen, den sie bei wärmeren Temperaturen bräuchten. Auch laichende Fische haben bei Wärme Schwierigkeiten, ihren Sauerstoffbedarf zu decken.

Schwer getroffen wird von dieser Entwicklung schon jetzt der Kabeljau. Bei unbegrenztem Klimawandel bekommen laut Studie bis Ende des Jahrhunderts mehr als die Hälfte der Fischarten Probleme, sich fortzupflanzen.

Wie sehr die Arten sich einfach immer weiter in den Norden verschieben können, hinterfragt Dahlke; schließlich habe jede Art besondere Anforderungen. „Manche Fische brauchen bestimmte Strukturen, um ihre Eier abzulegen. Die gibt es eventuell nicht überall.“ Mancherorts gibt es jetzt schon Maßnahmen, um den Einwanderern den Start in Nord- und Ostsee zu erleichtern: Seegraswälder etwa werden aufgeforstet, aus alten Fahrzeugen werden künstliche Riffe angelegt.

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