Polizist muss man sein

Während des G20-Gipfels warf ein Polizist eine Bierdose auf KollegInnen. Hamburger Gericht spricht ihn frei

Aus Hamburg Marco Carini

Mit einem Freispruch ist am Montag der wohl skurrilste G20-Prozess zu Ende gegangen. Das Amtsgericht Hamburg-Altona sprach den früheren Münchner Polizisten Oliver D., der während der „Welcome to Hell“-Demo“ eine Bierdose auf die sich im Einsatz befindenden KollegInnen geschleudert hatte, vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung frei. Dem 38-Jährigen sei nicht nachzuweisen, so Richter Reinhard Kloß, dass er es billigend in Kauf genommen habe, seine ehemaligen Kollegen zu verletzen. Die Staatsanwaltschaft prüft nun, Rechtsmittel einzulegen.

Der Beamte hatte sich mit seiner Freundin, die ebenfalls eine Dose in Richtung der Einsatzkräfte warf, privat auf der Anti-Gipfel-Demo am 6. Juli 2017 aufgehalten. Die Polizei hatte den Zug gestoppt, weil viele der etwa 12.000 TeilnehmerInnen vermummt gewesen seien. Dass die Einsatzkräfte mit Schlagstöcken in die demonstrierende Menschenmenge stürmten, um die Vermummten zu isolieren, habe er als „komplett unbegründet und unverhältnismäßig wahrgenommen“, erklärte der Angeklagte im Verfahren. Er habe zudem „Schiss gehabt“, selbst von ihnen „niedergeknüppelt“ zu werden. Seine Freundin ließ über ihre Anwältin mitteilen, sie sei „schockiert und wütend“ über den Polizeieinsatz gewesen.

Beide Angeklagten warfen nach eigenen Angaben jeweils eine Bierdose in Richtung der eingesetzten Beamten und beide beteuerten vor Gericht, sie haben damit niemanden verletzen wollen. Videoaufnahmen beweisen, dass die von dem Münchner Beamten geschleuderte Dose nur etwa anderthalb bis zwei Meter hinter mehrenden laufenden Polizisten aufschlug. Trotzdem erklärte der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung, es sei den Angeklagten nicht nachzuweisen, dass sie PolizistInnen verletzen wollten. Damit unterscheidet sich das Urteil von fast allen anderen Schuldsprüchen in Hamburger G20-Prozessen. Dutzende ProtestlerInnen wurden beschuldigt, Gegenstände in Richtung von Polizeikräften geworfen zu haben. Am Ende fast aller Verfahren standen hohe Bewährungs- oder sogar Haftstrafen ohne Bewährung.

Der ehemalige Münchner Beamte ist der einzige Polizist, der sich nach den G20-Auseinandersetzungen in einem Strafverfahren verantworten musste. Von den 157 PolizistInnen, gegen die die Staatsanwaltschaft ermittelt hat, wurde bislang kein einziger angeklagt. 120 Ermittlungsverfahren wurden bereits eingestellt.