heute in bremen
: „Viele Fälle bleiben unsichtbar“

Foto: Benedict Neugebauer

Laura Yilma

26, Studentin und antirassistische Aktivistin im „Silent Demo“-Kollektiv.

Interview Selma Hornbacher-Schönleber

taz: Frau Yilma, Ihre Demo ist Teil der „Black Lives Matter“-Bewegung. Was sagen Sie zu #AllLivesMatter?

Laura Yilma: Wir sagen nicht, dass es nicht stimmt, dass alle Leben zählen. Aber das kann man nicht dagegen ausspielen, dass gerade wir als Schwarze Menschen uns Gehör verschaffen wollen. Gerade kommen viele Probleme an die Oberfläche, das sieht man an den Bildern aus den USA. Oder man sieht es eben nicht: Viele Fälle bleiben unsichtbar.

Und wie ist die Lage hierzulande?

Fast jeden Tag könnten wir in Deutschland eines Opfers von rassistischer Gewalt gedenken! Vielen Menschen ist das nicht bewusst, die denken nur an die USA. Oft sehen sie das Thema Rassismus nicht in ihrem Umfeld und können es deshalb nicht greifen. Es ist wichtig, solchen Leuten bewusst zu machen, dass Rassismus aber existiert, dass darunter Menschen leiden, dass es sie einschränkt!

Wen trifft Rassismus?

Alle, die aus dem Bild der „weißen deutschen Mehrheitsgesellschaft“ herausfallen. Man wird unterdrückt, diskriminiert und als minderwertig angesehen. Rassismus gegen Schwarze ist dabei besonders gewalttätig, weltweit. In den USA und Europa genauso wie auf dem afrikanischen Kontinent.

Was hat es mit dem Konzept einer Silent Demo auf sich?

Das bedeutet, dass wir eine friedliche Form des Protests sind, ohne Aggression. Wir haben auch Schweigeminuten geplant: Acht Minuten und 46 Sekunden in Gedenken an den Todeskampf von George Floyd. Sie stehen symbolisch für alle Opfer von anti-schwarzem Rassismus, die getötet wurden, über die aber medial nicht berichtet wurde. Für die Demo hier in Bremen wollen wir, dass Leute, die das Thema bisher nicht greifen konnten, dazulernen. Dass sie mit nach Hause nehmen, welche Themen wichtig sind und sich überlegen: „Wozu sollte ich weiterlesen?“

Welche politischen Maßnahmen sind jetzt fällig?

Auf jeden Fall muss das Thema Antirassismus in den politischen Diskurs aufgenommen werden. Themen wie Diskriminierung beim Arzt, beim Amt, … Ein wichtiger Schwerpunkt ist Schulpolitik: dass Kinder über Rassismus und die eigene Kolonialgeschichte lernen.

Silent Demo zu „Black Lives Matter“: 16 Uhr, am Osterdeich auf Höhe des Kunsttunnels. Wer kann, sollte ein schwarzes Oberteil tragen

Was wünschen Sie sich von weißen Menschen, die sich solidarisch verhalten wollen?

Wir brauchen nicht nur die Solidarisierung auf der Demo, sondern vor allem, dass sie sich darüber hinaus mit Rassismus auseinandersetzen, auch auf theoretischer Ebene. Alle sollten sich die Frage stellen: „Wo ist mein Verhalten rassistisch, auch wenn ich es vielleicht nicht merke?“

Glauben Sie, dass die Proteste der letzten Wochen etwas verändern können?

Wir alle haben uns schon vorher für diese Themen eingesetzt, aber dafür kein Gehör bekommen. Jetzt ist eine Bewegung entstanden, die uns in Sachen Antirassismus zuversichtlicher macht.