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Bin ich hier schon im Büro?

Im Homeoffice gelten meist die gleichen gesetzlichen Regelungen wie im Büro. Doch es gibt strittige Fragen. Wer will, kann auch eine individuelle Vereinbarung aushandeln

Von Helke Diers

Zu Beginn der Coronapandemie schickten viele Ar­beit­gebe­r*innen ihre Arbeitneh­me­r*in­nen ohne Vorbereitung zum Arbeiten ins heimische Wohnzimmer. Rechtlich entsprach das nicht immer den Vorgaben. Was als Akutreaktion gedacht war, wird sich nach dem teils unfreiwilligen Praxistest womöglich verfestigen. Nach Daten des Statistischen Bundesamts arbeiteten vor zwei Jahren gerade mal knapp 9Prozent aller Arbeitnehmer*innen gelegentlich von zu Hause aus. Die Coronakrise vergrößerte diesen Anteil stark. Rund 35 Prozent der Erwerbstätigen gaben im April an, teilweise oder vollständig im Homeoffice zu arbeiten, teilte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) mit. Dabei fällt auf: Zu Hause arbeiten vor allem Menschen mit höheren Einkommen und höheren Bildungsabschlüssen.

Für die Arbeit zu Hause ergeben sich neue Unsicherheiten: Wer bezahlt die leere Druckerpatrone? Ab wann darf das Handy ausgeschaltet werden? Und was passiert, wenn das Kind Knete in den USB-Anschluss gedrückt hat? Laura Krüger ist Rechtsanwältin bei der Berliner Kanzlei dka Rechtsanwälte/Fachanwälte und erklärt: Grundsätzlich bleibt alles so wie immer. „Arbeitsrecht ist ja letztlich Schutzrecht der Arbeitnehmer, weil es den Schwächeren schützen soll. Deshalb gibt es Regeln zu Mindesturlaub, Ruhezeiten und Pausenregelungen. Die gelten auch, wenn ich zu Hause oder mobil arbeite.“

Ein gesetzliches Recht auf Homeoffice gibt es in Deutschland nicht, auch wenn das Thema als politisches Evergreen immer wieder diskutiert wird. In manchen Betrieben gilt ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung, die den eigenen Schreibtisch als Arbeitsort ermöglicht. Ansonsten bleibt nur: verhandeln. „Jeder kann auch eine individuelle Vereinbarung schließen“, sagt Krüger. Umgekehrt gibt es keine Pflicht, im Homeoffice zu arbeiten. „Der Arbeitgeber kann nicht über die private Wohnung verfügen.“ Manchen Arbeitnehmern könne das Homeoffice helfen, zu einer guten Work-Live-Balance zu kommen, andere fühlten sich veranlasst, mehr oder mit weniger Pausen zu arbeiten.

Ob im Homeoffice, mobil oder im Büro: überall gelten die gleichen Gesetze zur Arbeitszeit. „In allen Varianten kann eine feste Arbeitszeit, Gleitzeitarbeit oder Vertrauensarbeitszeit bestimmt oder vereinbart werden“, sagt Arbeitsrechtlerin Krüger. „Auch Pausen- und Ruhezeiten gelten.“ Homeoffice bedeute nicht, dass ein Arbeitnehmer immer erreichbar sein müsse. „Nur weil ich ein Handy zur Verfügung gestellt bekomme, muss ich das nicht mit in die Mittagspause nehmen.“ Manche Menschen könnten allerdings zu Hause einen höheren Rechtfertigungsdruck empfinden, ihre Arbeitsmoral zu beweisen.

Kurz erklärt: Homeoffice

Arbeiten außerhalb des Büros ist nicht gleich Homeoffice. Denn die Arbeitsstättenverordnung legt fest: „Telearbeitsplätze sind vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten, für die der Arbeitgeber eine mit den Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat.“ Der Arbeitgeber bezahle und installiere die Arbeitsgeräte, erklärt Anwältin Laura Krüger. Home­office sei einfach ein anderer Begriff für Telearbeit.

Davon unterscheidet sich die mobile Arbeit. „Mobiles Arbeiten bedeutet, der Arbeitnehmer hat gar keinen Arbeitsplatz, sondern kann von überall arbeiten: im Park, zu Hause, im Auto, in New York oder Tokio.“ Dafür gebe es noch keine gesetzliche Definition und spezielle Regelungen. Homeoffice, mobiles Arbeiten und Büroarbeit können sich auch abwechseln.

Die bloße Tatsache, dass seitens des Arbeitgebers kein fester Bildschirmarbeitsplatz eingerichtet wird, führe nicht automatisch zu mobiler Arbeit. Krüger erklärt die Abgrenzung so: „Es kommt darauf an: Ist es wirklich so gedacht, die Arbeit von überall zu erledigen?“ Es könne auch einfach ein Verstoß des Arbeitgebers gegen seine Plicht bestehen, den Bildschirmarbeitsplatz einzurichten. (hd)

Wer seinen Kaffee über den Arbeitslaptop kippt, haftet zu Hause oder im Zug genauso wie im Büro. Bei leichter Fahrlässigkeit wird der*die Beschäftigte von der Haftung freigestellt – es wird nach der Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung unterschieden. Krüger begründet das so: „Die Gefahr, das an Sachen meines Arbeitgebers etwas kaputt geht, ist nicht so gering, wenn ich täglich mit ihnen Umgang habe.“ Schwierig sei es, wenn Kinder oder Mitbewohner Sachen des Arbeitgebers beschädigen. Juristen würden diskutieren, solche Haushaltsangehörige ebenfalls von der Haftung bei leichter Fahrlässigkeit freizustellen. „Das ist momentan nicht klar“, sagt Krüger. „Diese Frage könnte gut in eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber aufgenommen werden.“

Komplizierter wird es, wenn nicht der Computer der Arbeitgeberin, sondern – wie dieser Tage häufig – der eigene Laptop und Drucker benutzt werden. Wenn Schäden bei der Arbeit entstünden, könne der Arbeitnehmer einen Aufwendungsersatz verlangen, erklärt Krüger. Was verbrauchtes Material wie Papier und Druckerpa­tronen oder Heizkosten angeht, ergibt sich ein Problem: Wer etwas einfordert, muss genau belegen, welche Kosten ihm entstanden sind. Und wenn der private Drucker weiterhin auch privat genutzt wird, ist es kaum möglich, die Arbeitsblätter des Homeschoolings von betrieblicher Post zu trennen. „Solche Kosten können in einer Pauschale abgegolten werden“, rät Rechtsanwältin Krüger für die Praxis. „Ich glaube, derzeit haben die wenigsten dazu tatsächlich Regelungen.“

Hinsichtlich des Datenschutzes im Homeoffice gilt: Der Arbeitgeber ist dafür verantwortlich, den Arbeitsplatz und die technische Infrastruktur den Anforderungen entsprechend zu gestalten, erklärt Krüger. Der Arbeitnehmer habe die Pflicht, Mitbewohner von Betriebsgeheimnissen fernzuhalten.

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