: Diktatorisches Gebaren mit Bibel
Donald Trump droht mittlerweile, sogar die Armee einmarschieren zu lassen. Den Weg zu einem Fototermin räumt er sich mit Tränengas frei
Von Tanja Tricarico
Rund sieben Minuten dauerte der Auftritt von US-Präsident Donald Trump im Rosengarten des Weißen Hauses. In diesen sieben Minuten zerstörte er jegliche Hoffnung auf befriedende, versöhnliche oder gar verständnisvolle Worte an die amerikanische Bevölkerung. Stattdessen die Drohung, die seit Tagen andauernden Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt durch die Armee zu beenden. Sollten sich Bürgermeister:innen und Gouverneur:innen weigern, das Notwendige zum Schutz von Leben zu tun, werde er, Trump, das Militär der Vereinigten Staaten entsenden und damit „das Problem schnell für sie lösen“. Trumps Auftritt am Montag gipfelte in einem Fotoshooting vor der St. Johns Episcopal Kirche nahe dem Weißen Haus. Die Kirche war zuvor bei Protesten durch ein Feuer beschädigt und mit Graffiti beschmiert worden.
Mit der Bibel in der Hand posierte der US-Präsident neben Tochter Ivanka und Justizminister William Barr vor dem Gotteshaus. Das Gebaren Trumps sorgte für mehr als Erstaunen und Irritation. „Ich bin empört“, sagte die Bischöfin der Diözese Washington, Mariann Edgar Budde, im US-Fernsehen. Trumps Botschaft stehe im Gegensatz zur kirchlichen Lehre. Auch der Vorsitzende der Episkopalkirche in den USA übte scharfe Kritik. Trump habe eine Kirche und die Heilige Bibel für parteipolitische Zwecke benutzt.
Denn zur selben Zeit feuerten Sicherheitskräfte im Lafayette Park unweit des Weißen Hauses und der St. Johns Episcopal Kirche Tränengas auf die Demonstrant:innen. Der Großteil hatte friedlich und gewaltfrei für Gerechtigkeit und ein Ende der staatlichen Gewalt protestiert. Die Sicherheitskräfte sollten den Weg zur Kirche freimachen. Für den Gouverneur von New York, Andrew Cuomo, war die Anwendung von Gewalt nichts anderes als „wirklich, wirklich beschämend“.
Wie in den Tagen zuvor gingen auch nach Trumps Erklärung Tausende Menschen auf die Straße und forderten „Gerechtigkeit jetzt!“. Doch es blieb nicht nur bei friedlichen Protesten. In Hollywood kam es laut Medienberichten zu Plünderungen, in Brooklyn gingen Schaufenster zu Bruch. Zudem wird von Schüssen auf Polizist:innen berichtet, etwa in St. Louis und Las Vegas.
Seit mehr als einer Woche gehen Tausende Menschen USA-weit auf die Straße. Ihre Wut entzündetes sich am Tod von George Floyd. Der 46-jährige Mann starb in Minneapolis, nachdem ein weißer Polizist ihn mit dem Knie auf dem Hals zu Boden drückte. Minutenlang. Wie eine unabhängige Autopsie seiner Leiche nun bestätigte, erstickte Floyd. Ein Video, das von der brutalen Gewalttat gemacht wurde, zirkulierte kurz nach dem Vorfall in den sozialen Medien und sorgte weltweit für Bestürzung und Protestaktionen.
Für die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, werfen die Unruhen ein Schlaglicht auf die Benachteiligung Schwarzer Menschen in den USA. Bei den Themen Gesundheit, Bildung oder Arbeit würden sie aufgrund von Hautfarbe oder Herkunft diskriminiert, heißt es in einer Mitteilung. Sie äußerte sich im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie. Vor allem Minderheiten litten unter den wirtschaftlichen wie sozialen Folgen der derzeitigen Lage. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erklärte: „Wir verurteilen Rassismus jeder Art.“ Für Borrell kommt der Fall Floyd einem Machtmissbrauch gleich. In Europa sei man darüber genauso „schockiert und entsetzt“ wie in den USA. Borrell rief zur Deeskalation in den USA auf.
Am 3. November entscheiden die Amerikaner:innen, ob Republikaner Donald Trump eine weitere Amtszeit bekommt. Welche Auswirkungen die derzeitigen Demonstrationen und Ausschreitungen haben, ist derzeit noch völlig unklar. Die tiefe Spaltung der US-Gesellschaft war selten sichtbarer.
Während der Demonstrationen kam es zudem mehrfach zu Angriffen auf Journalist:innen. So wurde bei einer Liveschaltung in Minneapolis offenbar ein Reporterteam der Deutschen Welle von einem Gummigeschoss getroffen. Laut Auswärtigem Amt bemühe man sich derzeit um Aufklärung des Falls. (mit dpa, rtr)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen