Die taz und Fake News: Die Aids-Verschwörung

Schuld an der Verbreitung von Fake-News. Wie die taz 1987 durch einen Köder von östlichen Geheimdiensten instrumentalisiert wurde.

Eine Frau sitzt bei eienr Demo auf einem Campingstuhl, auf dessen Rückseite steht: Gib Gates keine Chance

Den Spruch gibt's auch in anders und sinnvoll Foto: Christoph Hardt/imago images

Die Ausgabe der taz vom 18. Februar 1987 machte Furore – am Tag selbst, doch auch noch viele Jahre später: „AIDS – Man-Made in USA“ war die Doppelseite betitelt, ein Gespräch zwischen dem bekennenden DDR-Bürger und dissidenten Schriftsteller Stefan Heym und dem Biologen Jakob Segal zum Ursprung der Aids-Epidemie. Beziehungsweise zum Auslöser des das menschliche Immunsystem damals noch meist tödlich infizierenden Virus.

Das Gespräch zwischen beiden machte Furore: Segal behauptete, das Virus sei nicht in Afrika von einem Tier auf einen Menschen übertragen worden, sondern in einem militärischen Labor im US-amerikanischen Fort Detrick gezüchtet worden und durch welche Umstände auch immer in die Welt gelangt.

Die These klang zunächst möglich, ja, naheliegend, vor allem gewann sie an Plausibilität durch das weit verbreitete Unbehagen in alternativen und linken Kreise an den USA schlechthin – eingebettet in die politische Logik des Kalten Kriegs, derzufolge beide Großmächte sich nicht scheuen würden, mit biologischen Waffen nicht nur zu experimentierten, sondern sie auch einzusetzen. Dass Segals Thesen sich im klinischen Test nie bewähren mussten, dass er seine Behauptungen nur aus dem Studium wissenschaftlich Literatur gewonnen hatte, störte die Gläubigen nicht.

In der Tat waren Segals Sätze in wissenschaftlicher Hinsicht längst widerlegt. So wie beim Coronavirus heute stand damals in Sachen Aids nicht viel fest: Man wusste über die verheerenden Wirkungen des Virus kaum etwas, aber immerhin soviel, dass ein US-Militärlabor nicht dessen finstere Geburtsstätte sein konnte.

Die taz biss als erste beim Stasi-Köder an

Wichtiger war jedoch, was erst durch Recherchen nach dem Fall des Eisernen Vorhangs herauskam: Die taz war als entscheidendes bundesdeutsche Medium einer Desinformationskampagne aufgesessen. Von Anbeginn an hatten sich Geheimdienste in der Sowjetunion für die später Aids genannte Immunschwächekrankheit interessiert. 1985 gelang es, DDR-Stellen – und damit auch den früheren Humboldt-Universitätsbiologen Jakob Segal und seine Frau Lilli für diesen Hoax zu instrumentalisieren.

Segal und seine Frau, seit jeher Anhänger der kommunistischen Idee der UdSSR, ausgerüstet mit den Pässen des Mutterlandes des Sozialismus, ließen sich von DDR-Geheimdiensten wenigstens zeitweise pampern, um ihr Wirken zu popularisieren. Die taz bekam das Stefan-Heym-Skript mit dem Interview nicht als erstes Printmedium angeboten, aber diese Zeitung biss beim Stasiköder an – später allerdings half sie als erstes Medium bei der Aufklärung dieser Desinformation.

Sie trug, ein schweres wenngleich wahres Wort, Schuld an der Verbreitung von politisch interessierten Fake News: Douglas Selvage und Christopher Nehring schreiben in ihrer Studie „Die Aids-Verschwörung“, dass die prominente Verbreitung der Segal-Thesen vielen Menschen das Leben gekostet hat – weil der DDR-Biologe die auch damals üblichen beschränkten Therapiemöglichkeiten ablehnte und die Einnahme erhöhter Dosen von Aspirin zur Abwehr der Virusgefahr empfahl.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.