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Bedrohtes Theater

In der Klosterstraße 44 in Mitte haben der Theaterdiscounter und weitere Mieter voneinem neuen Eigentümer eine Kündigung erhalten

Von Tom Mustroph

Das Gebäude des Theaterdiscounters ist verkauft. Allen Mietern des Hauses in der Klosterstraße in Berlin-Mitte, darunter neben dem Theaterdiscounter und Constanza Macras’ Tanzcompagnie Dorky Park auch das Berliner Büro der Stararchitekten Herzog & de Meuron, wurde gekündigt. Viele sind fassungslos. Es macht sich aber auch zarte Hoffnung auf eine Einigung mit den neuen Besitzern breit.

Ein Elend kommt selten allein. Im Frühjahr musste der Theaterdiscounter wegen Covid-19 seinen Vorstellungs- und Probenbetrieb einstellen. Nicht einmal als Geschäfte mit bis zu 800 qm Ladenfläche wieder öffnen durften, konnten die Theatermacher zurück in den Betriebsmodus. Ende April kam dann der Brief mit der Kündigung des Mietvertrags zum 31. 8. „Es war ein Schock für uns“, sagt Georg Scharegg, Mitbegründer und künstlerischer Co-Leiter des Theaterdiscounters. Einen ersten Umzug wegen Kündigung seitens eines Investors hat Scharegg bereits 2008 mitgemacht. Damals musste er raus aus dem Haupttelegrafenamt in der Oranienburger Straße. Das stand dann jahrelang leer, bis Investor Ernst Freiberger dort eine hochpreisige Wohnanlage errichtete.

Hintergrund der aktuellen Kündigung ist der Verkauf der Klosterstraße 44 von der US-amerikanischen Immobilienentwicklungsgesellschaft Adam Real Estate an einen bislang namentlich nicht bekannten Investor. Verkaufspreis und Klienten wollte ein Sprecher von Adam Real Estate der taz nicht nennen. „Wir haben mit dem Objekt nichts mehr zu tun“, teilte er lediglich mit. Nach dem Erwerb vor vier Jahren trieb Adam Real Estate die Mieten auf etwa das Doppelte, aktuell etwa 18 Euro pro Quadratmeter, erzählt Scharegg. Zahlreiche Künstler*innen, die bis dahin ihr Atelier dort hatten, konnten die Mietsteigerung nicht mitmachen und zogen aus.

Ihnen folgten vor allem Architekturbüros. „Ja, wir sind die zweite Welle hier, konnten uns diese Miete leisten“, sagt mit einer Spur von Sarkasmus Anne Menke zur taz. Die junge Architektin baut Einfamilienhäuser, hat ein Modell eines Ökowohnhauses auf dem Tisch und Pläne eines Studentenwohnheims in Rostock an der Wand. Weil sie als Fachfrau die Planungen für das Gebiet Molkenmarkt und Klosterviertel kennt, ging sie davon aus, noch einige Jahre hier arbeiten zu können. „Jetzt müssen wir uns ein neues Büro suchen“, sagt sie und verweist auf das Kündigungsschreiben.

Mit einer längeren Verweildauer als nur zwei Jahre rechnete auch das Architekturbüro von Herzog & de Meuron, Erbauer unter anderem der Elbphilharmonie und des Olympiastadions Peking. Auch sie müssen jetzt auf den Modus Bürosuche umstellen.

Klagen gegen die Kündigung macht wenig Sinn. Die Mieter mussten eine „notarielle Räumungsverpflichtung“ unterschreiben. Das bedeutet, dass sie bei Kündigung auf rechtliche Schritte verzichten. „Das ist bei Gewerbemietverträgen üblich“, teilt Thomas Prilop mit. Prilop ist Betreiber der Klosterstraße 44. Er hat das Objekt einst von einem leerstehenden Industriebau in ein Kulturzentrum verwandelt. Er hat selbst einen Mietvertrag mit den Besitzern und vermietet an die Kulturnutzer weiter. Er gab auch die von den neuen Besitzern an ihn gerichtete Kündigung weiter.

Auch die Architektin ging davon aus, noch einige Jahre hier zu arbeiten

Die aktuelle Nutzung ist ohnehin eine Zwischennutzung. Die Klosterstraße 44 liegt im Gebiet Molkenmarkt und Klosterviertel, für das die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung einen ambitionierten Bebauungsplan erstellt hat – mit kommunalen Wohnungen und kleinteiliger Gewerbe- und Kulturnutzung. Für das Gebäude des Theaterdiscounters ist im Bebauungsplan eine Wohnnutzung vorgesehen, teilt Manfred Kühne, Abteilungsleiter Städtebau in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, der taz mit. „Für das aktuell existierende Gebäude Klosterstraße 44 ist aber eine Kulturnutzung festgeschrieben. Dafür gibt es eine Betriebserlaubnis. Wird das Gebäude leergezogen, dann erlischt nach längerem Leerstand auch die Genehmigungsfähigkeit einer gewerblichen Vermietung an Kulturnutzer“, sagt Kühne auch. Der neue Besitzer der Objekts müsste also, will er nicht komplett auf Mieteinnahmen verzichten, ohnehin auf Kulturnutzer zugehen. Ein Bestandsschutz für individuelle Mieter lasse sich aus dieser Nutzungsvereinbarung aber nicht ableiten, betont Kühne. „Wir setzen uns aber gemeinsam mit der Kulturverwaltung für ein Verbleiben gegenwärtigen Nutzer ein.“

Aus dieser Konstellation schöpfen die Künstler*innen Hoffnung. „Wir hatten Gespräche mit Vertretern der neuen Besitzer. Dabei gab es positive Signale“, erzählt Scharegg. „Wir haben auch erfahren, dass es Gespräche zwischen den neuen Eigentümern und dem Senat geben soll. Jetzt vertrauen wir darauf, dass den positiven Worten auch die entsprechenden Taten folgen und die gegenwärtige Kulturnutzung des Hauses verlängert werden kann“, sagt Scharegg bedingt optimistisch.

Perspektivisch zählt er darauf, dass der Theaterdiscounter seinen Platz im neuen kommunalen Stadtteil Molkenmarkt findet. Vertreter der neuen Besitzer wollten der taz gegenüber keine Informationen über ihre Pläne mit dem Objekt und den Mietern geben. Es bleibt eine Hängepartie. Die Kündigung ist bislang auch nicht zurückgenommen.

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