Ausnahmezustand im Kongo wegen Corona: Die Hauptstadt wird abgeriegelt

Präsident Tshisekedi ruft den Ausnahmezustand aus. Das Coronavirus darf nicht von der Oberschicht in Kinshasa auf das gesamte Land überspringen.

Viele Menschen an einem Taxi-Stop

Alltag in Kishasa vor Corona-Zeiten. Haltestelle für Sammeltaxis Foto: Robert Carrubba/reuters

BERLIN taz | Zum Kampf gegen das neuartige Coronavirus hat der Präsident der Demokratischen Republik Kongo, Felix Tshisekedi, den Ausnahmezustand erklärt und weitreichende Zwangsmaßnahmen verfügt. In einer landesweit an die 90 Millionen Kongolesen ausgestrahlten Fernsehansprache am Dienstagabend appellierte der Präsident an die „heilige Einheit der Nation“ und griff zu einem alten Slogan der kongolesischen Demokratiebewegung, leicht abgewandelt: „Gemeinsam werden wir das überwinden.“ Der Ausnahmezustand gilt für zunächst 30 Tage.

Ab sofort sind Kongos Grenzen zu den Nachbarländern für den Personenverkehr geschlossen. Die gut 10 Millionen Einwohner zählende Hauptstadt Kinshasa, die Tshisekedi als „Epidemieherd“ bezeichnete, wird von der Außenwelt abgeriegelt: Personenverkehr aus oder zum Rest des Landes ist untersagt, Flug- und Schiffsverbindungen werden gestrichen, Straßen gesperrt. Polizei und Armee überwachen die Einhaltung der Maßnahmen.

In Kinshasa selbst sollen die Bezirksverwaltungen Hygienemaßnahmen ergreifen – beispielsweise öffentliche Einrichtungen zum Händewaschen mit Seife aufbauen, sehr wichtig in einer Megacity, deren Bevölkerung mit Ausnahme einer kleinen Elite weder sauberes Wasser noch eine öffentliche Stromversorgung zur Verfügung hat.

Die Maßnahmen bedeuten, so sie denn konsequent durchgesetzt werden, einen erheblichen Einschnitt ins Leben der Kongolesen. Mehrere der wichtigsten Städte des Landes befinden sich direkt an einer Grenze zum Nachbarland – die Hauptstadt Kinshasa, die östlichen Provinzhauptstädte Goma und Bukavu – und sind von offenen Grenzen abhängig. Das riesige, bitterarme und aufsässige Kinshasa ist aus eigener Kraft nicht überlebensfähig.

Die Demokratische Republik Kongo zählt derzeit (Stand Mittwochfrüh) 48 bestätigte Coronavirus-Infizierte und drei sicher bestätigte Todesfälle. Doch das Virus schlägt ganz oben zu. Ein Toter ist der Bruder des Wirtschaftsministers, einer der Rechtsanwalt des Oppositionsführers Moise Katumbi. Das Virus wurde von einem Reisenden aus Frankreich nach Kinshasa eingeschleppt und ist bisher nur dort bestätigt – mutmaßliche Infektionsfälle in anderen Städten haben sich bislang immer als negativ entpuppt.

Tshisekedi folgt mit seinem Maßnahmenpaket Appellen kongolesischer Bürgerrechtsgruppen. Die hatten in den vergangenen Tagen immer nachdrücklicher gefordert, der Präsident möge doch die Bevölkerung vor dieser Seuche schützen, die bisher auf die mit dem Ausland vernetzte Oberschicht beschränkt scheint.

Die Befürchtung ist groß, dass eine Ausbreitung des Coronavirus auf die allgemeine kongolesische Bevölkerung und das gesamte Land nicht mehr zu kontrollieren wäre, da dafür im Kongo die Infrastruktur fehlt. Andererseits hat Kongo soeben erfolgreich eine Ebola-Epidemie im Osten des Landes mit über 2.250 Toten beendet, trotz Bürgerkriegszuständen im Epidemiegebiet – die Kompetenz und Bereitschaft zu weitreichenden Maßnahmen der Seuchenbekämpfung ist also durchaus vorhanden.

Bleibt, die nötigen Mittel und die Infrastruktur zu organisieren. Tshisekedi regte dafür die Gründung eines nationalen Corona-Solidaritätsfonds an. Außerdem soll das ursprünglich deutsche Unternehmen Pharmakina in der ostkongolesischen Stadt Bukavu, Zentralafrikas älteste Medikamentenfabrik, das möglicherweise zur Covid-19-Bekämpfung geeignete Malariamedikament Chloroquin jetzt „in industriellen Mengen“ herstellen, so der Präsident. Das Unternehmen zeigte sich aufgeschlossen.

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