: Beteiligung ohne Kontakt
In Corona-Zeiten ist die Bürgerbeteiligung auf digitale Verfahren beschränkt. Aber wie gerecht ist das? Gegen Bebauungspläne in der Hafencity regt sich Protest – gerade für Ältere sei das eine Hürde
Von Marco Carini
Kontaktverbot, Ausgangsbeschränkungen, stay-at-home-Kampagnen: Als würde es diese Corona-Folgen nicht geben, legt die Stadtentwicklungsbehörde jetzt den Bebauungsplan „HafenCity 10 – Am Lohsepark“ öffentlich aus – noch bis zum 24. April. Auf ihrer Website wirbt sie gleichzeitig dafür, die öffentliche Auslegung nicht zu besuchen.
Dasselbe gilt für die öffentliche Beteiligung am städtebaulichen Wettbewerb des neuen Wohnstadtteils Grasbrook. Statt der geplanten öffentlichen Schlusspräsentation und Bürgermitwirkung, soll es nun am heutigen Donnerstag ein „reines Online-Beteiligungsverfahren“ geben – die verschiedenen Planungsteams sollen per Videoclip ihre Entwürfe präsentieren.
Vor allem gegen die Auslegung der Hafencity-Bebauungspläne gibt es Proteste. Für die Initiative Schulcampus Lohsepark verstößt eine Auslegung zum jetzigen Zeitpunkt „gegen das Gebot, dass BürgerInnen in diesem Verfahren Gehör finden müssen“. Zwar sind die Unterlagen auch digital einsehbar, doch ist es im Baugesetzbuch zwingend vorgeschrieben, sie auch in Papierform auszulegen, um eine breite Beteiligung zu gewährleisten.
In einem offenen Brief der Initiative an Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) beklagt die Initiative, die Behörde dürfe „nicht voraussetzen, dass alle BürgerInnen – darunter auch jene älteren, besonders durch das Corona-Virus gefährdeten Menschen – über einen Internetanschluss verfügen und sich die Unterlagen digital anschauen können“. Auch das Argument der Behörde, die öffentliche Auslegung sei gesetzlich zum jetzigen Zeitpunkt vorgeschrieben, lässt die Initiative nicht gelten: „Das Baugesetzbuch sieht explizit vor, dass bei Vorliegen eines wichtigen Grundes die Auslegungsfrist verlängert werden kann.“
Im B-Plan Hafencity 10 geht es um die Bebauung des Gebietes östlich der Shanghaiallee. Im Dreieck Versmannstraße, Bahnlinie und Am Hannoverschen Bahnhof ist in dem Plan ein 11.000-Quadratmeter großes Grundstück für eine aus Gymnasium und Stadtteilschule kombinierte, sogenannte Clusterschule vorgesehen.
Das Vorhaben ist seit Jahren umstritten: Die Initiative plädiert dafür, dass 100 Prozent der Freiflächen ebenerdig sind, während die Schulbehörde 40 Prozent des Schulhofs auf das Schuldach verlegen will. Daneben gibt es Streit über gesundheitliche Belastungen, die bei den SchülerInnen und LehrerInnen durch ein elektromagnetisches Feld verursacht werden könnten, dass durch Abnahme von Strom aus den schulnahen Oberleitungen bei jeder Durchfahrt eines Zuges entsteht.
Während Schul- und Stadtentwicklungsbehörde bei der Umsetzung des Bebauungsplans auf die Tube drücken, um eine ausreichende Schulversorgung in der Hafencity endlich sicherzustellen, bremst die Initiative, um die gegenwärtigen Planungen noch in ihrem Sinne zu verändern. Die Linke, die ebenfalls die öffentliche Auslegung zum jetzigen Zeitpunkt kritisiert, fordert sogar, sich nach Standortalternativen für den geplanten Schulpark umzuschauen, da am vorgesehenen Standort auch die Lärm- und Schadstoffbelastung hoch sei.
Davon wollen die Behörden nichts wissen. „Wir werden die öffentliche Auslegung sicher nicht verschieben“, kündigt der Sprecher der Stadtentwicklungsbehörde, Thomas Östreicher, an. Die „weit überwiegende Zahl“ der Menschen, die sich die ausgelegten Unterlagen anschauten, täten das ohnehin im Netz.
Online-Beteiligung „Wettbewerblicher Dialog Grasbrook“, 2. April, 8 bis 20 Uhr, unter: www.hamburg.de/grasbrook
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