Von Vietnam nach Deutschland und zurück: In Quarantäne nach Absage in Berlin

Ein deutsch-vietnamesischer Touristikmanager erlebt die restriktiven Maßnahmen gegen das Coronavirus zwischen Asien und Europa sehr unterschiedlich.

Ein Mann mit einem Mundschutz.

Der deutsch vietnamesische Tourismusmanager Vu Minh Anh in Quarantäne Foto: privat

BERLIN taz | „Ein positiver Coronatest wäre hier weniger schlimm, als keine Internet- und Handyverbindung zu haben“. So scherzt der deutsch-vietnamesische Touristikmanager Vu Minh Anh am zweiten Tag seiner Quarantäne in einem früheren Militärhospital in Cu Chi.

Der Ort, eineinhalb Autostunden nordwestlich von Saigon (Ho Chi Minh Stadt), wurde im Vietnamkrieg berühmt durch den unterirdischen Tunnelkampf des Vietcong dort und ist heute ein Touristenmagnet. Für den 45-jährigen Vu, der als Kind per Boot vor Kommunismus und Armut floh und schließlich in Deutschland landete, ist es ein Zwangsaufenthalt mit doppelter Ironie.

Der einstige Flüchtling hätte nie gedacht, dass er jetzt dort mit Hunderten anderen Reisenden aus dem In- und Ausland auf einem Militärgelände für 14 Tage eingesperrt würde. Als er am letzten Samstag noch in Deutschland war, hörte er, dass die Regierung in Hanoi zur Abwehr des Coronavirus alle Flugverbindungen aus Europa kappen wollte. Mit dem letzten Linienflug kehrte er nach Saigon zurück, wo er mit Frau und Kind lebt.

„Vorher gab es Gerüchte über eine Quarantäne, die wir dann zu Hause antreten sollten“, sagt Vu. Doch nach der Landung am 15. März der Schock: Nach einer langwierigen Prozedur am Flughafen ging es mit Bussen in das frühere Militärkrankenhaus nach Cu Chi.

Gut vorbereitete Quarantäne

Das war zum Glück frisch renoviert. Und die dortigen Mitarbeiter, die stets Schutzanzüge und Atemmasken tragen, waren auf die multinationale Passagiergruppe aus Familien mit Kleinkindern, Studenten, Geschäfstleuten, Touristen und Rentnern gut vorbereitet.

Die verunsicherten und Infektionen fürchtenden Reisenden wurden zu viert oder zu fünft auf Zimmer verteilt. Diese haben alle WLAN und Ventilatoren und sind sehr sauber.

„Selbst die Gemeinschaftstoiletten können mit denen deutscher Oberschulen mithalten und sind einladender als in normalen staatlichen Krankenhäusern in Vietnam,“ sagt Vu.

„Jeder bekam ein ‚Überlebensset‘ aus Schlafanzug, Militärdecke, Zahnbürste, Kamm, Seife und Handtuch. Nach einem schmackhaften Abendessen à la Quarantäne kamen die Ärzte zum Coronatest.“ Seitdem werde zweimal am Tag die Körpertemperatur gemessen.

Das Personal ist professionell und „leicht patriotisch“

Das Personal samt militärischen Helfern sei professionell, freundlich, idealistisch und „leicht patriotisch“. Die Stimmung der Internierten sei inzwischen entspannt, sie fühlten sich trotz Eingesperrtseins gut aufgehoben. Eine Frau habe gescherzt, sie würde hier glatt Urlaub machen, wenn es einen Swimmingpool gäbe.

Leider bewahrheitete sich das Gerücht nicht, dass, wer negativ getestet würde, nach einer Woche die Isolation zu Hause fortsetzen könne. Doch ist Vu überrascht von der guten Orga­ni­sa­tion, dem hohen Standard und dem professionellen wie entschlossenen Handeln der Behörden und ihrer Mitarbeiter.

Mann mit Mundschutz in einem Krankenzimmer.

Vu Minh Anh im früheren Militärkrankenhaus im Distrikt Cu Chi, bekannt wegen der dortigen Tunnel Foto: privat

In Deutschland hatte er das gerade anders erlebt. Als er am 29. Februar in Frankfurt landete, war während seines Fluges die Berliner Tourismusbörse (ITB), die weltgrößte Reisemesse, abgesagt worden. An der nimmt Vu, dessen Agentur viele Deutsche durch Vietnam und seine Nachbarländer führt, seit Jahren teil.

ITB: „Schlechte Informationspolitik“

Noch am Vortag habe es geheißen, die ITB finde statt. Mit einem Koffer voll Werbematerial war Vu in den Flieger gestiegen. „Dank an die ITB für die schlechte Informationspolitik und das schlechte Krisenmanagement“, schrieb er verärgert auf Face­book.

Dabei hatte bei der Einreise in Frankfurt niemand gefragt, ob er etwa vorher in China war, von wo aus das Virus sich ausgebreitet hatte. Fieber wurde auch nicht gemessen, er musste keine Kontaktdaten hinterlegen und bekam keinerlei Verhaltensregeln. Die Coronagefahr interessierte die Beamten am Flughafen offenbar nicht, wozu nur die Absage der Messe nicht passte.

Zu der Zeit waren Vietnam und Deutschland mit offiziell je unter 20 bestätigten Infizierten noch etwa gleich stark betroffen. Doch in Vietnam war nördlich von Hanoi bereits ein ganzes Dorf mit 10.000 Bewohnern unter Quarantäne gestellt worden.

Überhöhte Preise für Gesichtsmasken werden bestraft

Vietnams Grenzen zum benachbarten China waren für den Personenverkehr längst dicht, ebenso waren landesweit alle Schulen und Universitäten geschlossen. Es gab aber keine Berichte über Hamsterkäufe. Wer aber überhöhte Preise für Gesichtsmasken verlangte, wurde bestraft.

Am Mittwoch zählte Vietnam (96 Millionen Einwohner) 68 Fälle. Von denen ist ein Drittel geheilt. Deutschland zählte dagegen 8.198 (Robert-Koch-Institut) bzw. 10.063 (Johns-Hopkins-Universität) Infektionsfälle.

In Vietnam kam drei Wochen lang keine Infektion mehr dazu, bis am 2. März ein Jet aus London wieder Infizierte brachte. Als Tests das belegten, stellte die Regierung die Flüge von und nach Europa ein und isolierte letzte Passagiere wie Vu.

„Es geht um den gesunden Menschenverstand“

Die Quarantäne, für die er übrigens nichts bezahlen muss, nötigt ihm einen gewissen Respekt vor der (kommunistischen) Regierung ab sowie Dankbarkeit für das erlebte Gemeinschaftsgefühl der Vietnamesen.

Die Krise gehe über den Gegensatz von autokratischem und demokratischem System hinaus, ebenso über den zwischen Ost und West oder armen und reichen Ländern, glaubt ein nachdenklicher Vu:

„Es geht mehr um gesunden Menschenverstand und politischen Pragmatismus, um richtige Entscheidungen und den Mut, rechtzeitig zu handeln, obwohl es zunächst drakonisch und unverhältnismäßig wirkt.“

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