Coronavirus in Südostasien: Vietnam wappnet sich gegen Virus

Einige Staaten schließen aus Angst die Grenze zu China, Vietnam hält sie gezwungenermaßen offen. Dabei gibt es eine hohe Dunkelziffer an Infizierten.

Seitenasicht einer Arbeiterin an der Nähmaschine in einer Textilfabrik trägt eine Mundschutzmaske

Schutzmaskenproduktion in Hanoi Foto: Kham/reuters

BERLIN taz | Auch Chinas Nachbarstaat Vietnam kämpft gegen das neuartige Coronavirus. Wie im zen­tral­chinesischen Wuhan wird dort innerhalb weniger Tage ein Krankenhaus gebaut. Das 11 Millionen Dollar teure Militärkrankenhaus in Ho-Chi-Minh-Stadt mit 500 Betten, dessen Bau am Wochenende begann, soll noch diesen Monat fertig werden. Ein noch größeres Feldlazarett soll in Hanoi entstehen.

Dabei sind in Vietnam nach offiziellen Angaben nur zehn Menschen an dem Virus erkrankt, dazu kommen rund 100 Verdachtsfälle. Beobachter gehen von einer hohen Dunkelziffer aus, denn viele Vietnamesen gehen nur dann zum Arzt, wenn es gar nicht anders geht. Man beißt die Zähne zusammen, arbeitet, solange es irgendwie geht, und will seine Familie nicht mit einer hohen Arztrechnung belasten.

Die Dunkelziffer wird auch deshalb vermutet, weil alle bisher Erkrankten schwerste Symptome aufweisen oder aufwiesen: Leicht Erkrankte und Infizierte ohne Symptome wurden bisher nicht festgestellt.

Gleichwohl werben staatliche Medien für Hygienemaßnahmen. Die Universitäten haben ihre Neujahrsferien verlängert und wollen verhindern, dass junge Menschen aus den Provinzen in die Großstädte kommen, wo sich das Virus wegen der beengten Wohnverhältnisse schneller ausbreitet. Gut die Hälfte der Provinzen hat den Schulunterricht ausgesetzt.

Quarantäne statt Grenzen schließen

Letztes Wochenende wurden alle Flüge von und nach China gestrichen. Seit Dienstag müssen Menschen, die auf dem Landweg aus China einreisen – vor allem chinesische Arbeitskräfte – sofort in Quarantäne. Touristen aus China, die immerhin 30 Prozent ausmachen, dürfte die Quarantäne abschrecken. Vietnams Touristenhochburgen klagen schon über Umsatzrückgänge.

Anders als Chinas nördliche Nachbarn Russland, Mongolei und sogar Nordkorea hat Vietnam die Grenzen zu China nicht generell geschlossen. Auf Kritik in sozialen Medien antwortete Außenminister Pham Binh Minh, Vietnam dürfe wegen eines bilateralen Abkommens seine Staatsgrenze zu China nur schließen, wenn China dem zustimme.

Dabei handelte es sich offensichtlich um ein bisher geheim gehaltenes Abkommen, was jetzt in der Bevölkerung auf massive Kritik stößt. Hier trifft die Angst vor dem Virus auf jahrhundertealte antichinesische Ressentiments in großen Teilen der vietnamesischen Bevölkerung.

WHO-Direktor Tedros Adhanom Ghebreyesus begründete den Ausruf des internationalen Gesundheitsnotstands letzte Woche mit der Gefahr für Länder mit schwachem Gesundheitssystem. Unklar ist, wie gut Vietnam vorbereitet ist. Hygiene gehört nicht unbedingt zu den Stärken der Krankenhäuser: Oft müssen sich mehrere Patienten ein Bett teilen oder sie werden zu Reinigungsarbeiten hinzugezogen, womit sie einen Teil ihrer Behandlungskosten zahlen.

Ein anderer Mangel könnte sich bei der Bekämpfung der Epidemie hingegen als Stärke erweisen: In Vietnam ist der Gedanke eines mündigen Patienten noch nicht angekommen. Ärzte sind Halbgötter in Weiß, deren Anweisungen man nicht infrage stellt.

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