: Filme mit Kinderaugen sehen
In Niedersachsen können Kinder und Jugendliche Filme selbst bewerten und empfehlen. Dabei setzen zwei Veranstalter auf Arthouse-Kinofilme und Indie-Filme mit geringem Budget statt auf überteuerte Animationsfilme
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Von Yasemin Fusco
Kinderdarsteller*innen haben im konventionellen Kinomarkt und auf Streaming-Portalen wie Netflix schon längst Erfolg; manchmal ist der Inhalt der Filme interessant für die Gleichaltrigen, manchmal nicht. Dem entgegen stehen Indie-Filme mit wenig Budget und Arthouse-Kinofilme, die interessant für Kinder und Jugendliche sein können. In diesen Geschichten sollen nicht übertriebene oder überteuerte Animationstechniken im Vordergrund stehen, sondern es soll die reale Gefühlswelt der Kinder und Jugendlichen abgebildet werden; für die Phase des Lebens, in der vieles zum ersten Mal passiert und deswegen umso intensiver aufgenommen wird. Das Projekt Jugend-Filmjury der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW) lässt deshalb Kinder- und Jugendfilme ab 14 Jahren Filme empfehlen.
Im Jahr 2014 entschied sich die FBW erstmals für eine neben den Erwachsenen-Filmjurys existierende Kinder-Filmjury. Seit 2018 gibt es zusätzlich die Jugend-Filmjury ab 14 Jahren, die Filme ihrer Altersgruppe bewerten und empfehlen. Seitdem erstellen Kinder und Jugendliche ihre Empfehlungen für Filme mit eigenen und auf den jeweiligen Film individuell zugeschnittenen Adjektiven, wie „lustig, tierlieb“ oder „romantisch“ auch für Filme auf DVD und Blu-Ray. Die Kinder und Jugendlichen geben ihre Tipps auch nach dem bekannten Prinzip der bis zu fünf Sterne reichenden Filmempfehlung. Das Siegel der Kinder- und Jugend-Filmjury markiert dann die Filmplakate mit einem Daumen nach oben für die jungen Zuschauer*innen als sehenswerten Film. Die Erwachsenen-Filmjurys der FBW bewerten Kinder- und Jugendfilme manchmal völlig anders als die Kinder-Filmjury: Nur mit den beiden Prädikaten „wertvoll“ und „besonders wertvoll“.
In Deutschland gibt es insgesamt acht solcher Kinder- und Jugend-Filmjury-Teams der FBW. Die Kinder-Filmjury in Lüneburg besteht aus zehn Kindern im Alter von zehn bis 14 Jahren. Dazu kommen Jugendliche ab 14 Jahren. In Lüneburg werden die Filme im Programmkino Scala aufgeführt. Programmkino bedeutet, dass auch Filme weniger bekannter Regisseur*innen gezeigt werden: Arthouse- und Indie-Filme für Kinder, mit Kindern und Jugendlichen in starken Hauptrollen.
Die Kinder bewerten die Filme nach dem Grundsatz der Objektivität. Dabei analysieren sie mit Hilfe von Medienpädagog*innen die Filme mit wissenschaftlichen Methoden. Für die Rezension der Filme spielt dabei keine Rolle, ob die jungen Kritiker*innen Komödien, Krimis, Fantasyfilme oder andere Genres eher ablehnen oder bevorzugen, sondern, ob die Filme den Kriterien entsprechen, die einen Film zu einem guten Film machen.
Sie sollen so lernen, Medienkompetenz und Filme anders zu sehen, als sie es vorher getan haben. Konkrete Fragen zum Film selbst; der Regie, den Schauspieler*innen, der Filmmusik, den Witzen – ob gelungen oder nicht – und der eigentlichen Botschaft, bewertet die Kinder- und Jugend-Filmjury also ganz allein. Seit dem Bestehen haben die acht Kritiker*innengruppen insgesamt über 300 Filme aller Genres gesichtet und für die jungen Zuschauer*innen bewertet.
In Hannover feiert das Filmfest „Sehpferdchen“ seit 1998 Arthouse -und Indie-Filme für Kinder und Jugendliche ähnlich wie die FBW-Jurys in Lüneburg. Es ist das größte Filmfest für Kinder in Niedersachsen, es möchte den kritischen Medienumgang der Kinder fördern. Dort gibt es neben den Jurys unter anderem Theaterinszenierungen, Schreibwerkstätten und Online-Redaktionen. Das „Sehpferdchen“-Filmfest unterscheidet in den Sektionen Kinderfilm, Filme 14-plus, Familienprogramm und Generationenkino. „Was Kinder in Geschichten und Filmen erfahren, ist für sie zumeist eine erste Begegnung mit Menschen, Verhältnissen und Lebensräumen, zu denen sie bisher noch keinen Kontakt hatten“, sagt Festivalleiter Andreas Holte. Schüler*innen können Patenschaften für Filme vom „Sehpferdchen“-Filmfest übernehmen, sagt er. Die Kinder entwickeln so auch selbst Ideen und Drehbücher, spielen, filmen, schneiden und vertonen selbst mit der Hilfe von Medienpädagog*innen.
Schwerpunkt des diesjährigen Filmfestes in Hannover, das vom 1. bis zum 11 März stattfindet, war Gender Mainstreaming, also die Verwirklichung der Gleichstellung von Männern und Frauen. „Kinderfilm wird weiblicher mit starken Mädchen und engagierten Regisseur*innen“, sagt Festivalleiter Holte.
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