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Offen für Ressentiments

Argwohn gegenüber chinesischen Konfuzius-Instituten: Die Uni Hamburg droht, eine Kooperation zu beenden, in Bremen suggeriert eine Anfrage politische Einflussnahme

Von Sophie Lahusen

Kritik an China ist nicht neu. Spätestens seit Kaiser Wilhelm II. vor 120 Jahren in Bremerhaven anlässlich der Verabschiedung des deutschen „Ostasiatischen Expeditionskorps“ zur Niederschlagung des Boxeraufstandes seine „Hunnenrede“ hielt, ist sie offen für Ressentiments: Der Übergang von politischen Problemen in Hongkong oder der Auseinandersetzung um Taiwan zu rassistischen Untertönen in der Berichterstattung über den Coronavirus ist fließend.

Ins Visier geraten sind nun auch die Konfuzius-Institute: Die Universität Hamburg droht, ihre seit 13 Jahren bestehende Kooperation zu beenden, in Bremen suggeriert eine parlamentarische Anfrage die Unterwanderung des Chinesisch-Unterrichts an den Schulen. Bundesweit gibt es 19 dieser Institute, das erste hat 2004 eröffnet. Benannt nach dem legendären antiken Philosophen Kong Fuzi, sind sie in erster Linie Sprachschulen. Je nach Standort organisieren sie auch Kulturveranstaltungen, Vorträge, Feriencamps und Ausstellungen, ähnlich wie die deutschen Goethe Institute.

In Hamburg etwa liegt der Fokus mit wissenschaftlichen Diskussionen auf dem „Deutsch-Chinesischen-Dialog“. 2007 war bei der Eröffnung auch die Universität Gründungsmitglied. Nun unterzieht sie ihre Kooperationsbeziehung mit dem Institut einer Prüfung, weil ihm eine „Einschränkung von Wissenschafts- und Meinungsfreiheit“ durch die Zentralpartei Chinas vorgeworfen wird, „insbesondere an der für das Hamburger KI zuständigen Fudan Universität“, wie die Leiterin des Präsidialbereichs Rosalie Förster erklärt.

Der Direktor des Hamburger Konfuzius-Instituts, Carsten Krause, kannte die Bedenken der Uni bis zur taz-Nachfrage nicht. Er ist angesichts der Berichterstattung über China aber nicht überrascht: „Es gibt gerade eine sehr laute Gesamtkritik an China und jeder, der mit China in Kontakt steht, wird angegangen.“ Er sei „erschrocken“, wie hart die Kritik an den Konfuzius-Instituten ausfalle und wie wenig fundiert sie sei: „Alle sprechen über die Konfuzius-Institute, niemand mit ihnen.“

Auslöser für die Auseinandersetzung mit den chinesischen Sprach- und Kulturinstituten war vergangenen November ein Antrag der FDP-Fraktion im Bundestag zur Prüfung der Wissenschaftsfreiheit an Konfuzius-Instituten. Antragsteller Jens Brandenburg (FDP) kritisiert die Institute scharf und fordert, alle Kooperationen zu beenden. Er wirft ihnen vor, sich als „harmlose Sprachschulen“ auszugeben, aber „subtile, politische Einflussnahme durch die chinesische Regierung“ zu betreiben.

Nach konkreten Vorwürfen gefragt, verweist Brandenburg auf Vorfälle aus dem Ausland: Im Oktober war dem Direktor des Brüsseler Konfuzius-Instituts die Einreise in die Schengen-Zone verweigert worden. Ihm wird Spionage vorgeworfen. Bislang ist der Verdacht nicht bestätigt. In Deutschland seien ihm keine konkreten Fälle bekannt, räumt Brandenburg ein.

Auf die Vorwürfe reagierten VertreterInnen von Konfuzius-Instituten in drei offenen Briefen, in denen sie argumentieren, dass falsche Informationen verbreitet und ungefiltert in Medienberichten aufgenommen worden seien. Die Direktorin des Konfuzius-Instituts in Hannover, Bettina Grieß, betont, dass die Finanzierung aus dem chinesischen Hanban nicht einer „Abteilung des Propaganda-Departements der KPCh“ unterliege, sondern dem chinesischen Bildungsministerium. Auch seien alle deutschen MitarbeiterInnen ihrer deutschen Universität verpflichtet, „und Hanban gegenüber in keiner Weise weisungsgebunden“.

In Deutschland seien ihm keine konkreten Fälle bekannt, räumt Brandenburg ein

Auch Margot Schüller findet die Vorwürfe „sehr erstaunlich“. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Asien-Institut des Leibniz-Instituts für regionale und globale Studien in Hamburg sei sie schon oft bei „sehr kritischen“ Vorträgen der Konfuzius-Institute gewesen. „Ich sehe da keineswegs eine Beeinflussung durch die chinesische Regierung.“

Auch auf Länderebene gab es in den vergangenen Wochen Anfragen zu den Konfuzius-Instituten: in Niedersachsen durch die FDP und in Bremen durch die Grünen. Solveig Eschen (Grüne) ist Unterzeichnerin der Bremer Anfrage. Auch ihr liegen keine konkreten Fälle von Einschränkung der Wissenschafts- oder Meinungsfreiheit vor. Dennoch findet sie, dass mit einem China-finanzierten Institut „sehr sensibel“ umgegangen werden müsse.

In einem Statement zu den Konfuzius-Instituten verweist sie auf einen Fall an der Bremer Hochschule für Künste. Dabei wurden Plakate für einen Vortrag über die Hongkonger Proteste beschädigt. „Dies lässt aus Sicht der Grünen-Fraktion ebenso aufhorchen wie die nicht detailliert beschriebene Zusammenarbeit des Konfuzius-Institutes mit fünf Bremer und Bremerhavener Schulen“, schreibt sie. Dafür verweist Eschen lediglich auf ein Statement der Hochschule, in dem es heißt, dass zwei Frauen „ostasiatischen Aussehens“ die Plakate beschädigt hätten. Einen Hinweis auf ihre Identität oder gar eine Zugehörigkeit zu Konfuzius-Instituten gibt es nicht.

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