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das portraitUlrike Krause schließt eine Forschungslücke

Sieht Flüchtlinge nicht nur als „humanitäre Objekte“: Ulrike Krause Foto: Uwe Lewandowski

Bürotüren von Hochschullehrern verraten viel. Neben manchen hängen nur Termine, Leselisten,­ Sprechzeiten. Bei Prof. Dr. Ulrike Krause, Raum 02/312, Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS), Universität Osnabrück, hängt ein düsterer Comic, eine Favela-Szene: Typen mit Balaklavas, Sturmgewehren und Kampfstiefeln; das Geschützrohr eines Panzers bohrt sich vor ein paar Hütten. Hinter dieser Tür, zeigt das, beginnt kein Elfenbeinturm.

„Früher hingen hier mal Fotos aus Uganda“, sagt Ulrike Krause. Spezialisiert in Flucht- und Flüchtlingsforschung – ihre Juniorprofessur beim IMIS ist die erste und bislang einzige zu diesem Feld in Deutschland –, ist ihr regionaler Schwerpunkt Ostafrika. Mit dem Kinderhilfswerk der UN hat sie zusammengearbeitet, mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, mit World Vision.

Vor ein paar Tagen hat Krause ein zweijähriges Projekt begonnen, ermöglicht durch fast 100.000 Euro Fördermittel der Deutschen Stiftung Friedensforschung, die praktischerweise nur zwei Gehminuten entfernt ist: „Frauen, Flucht – und Frieden? Friedensfördernde Praktiken­ von Frauen in Flüchtlingslagern“. Kern des Projekts ist eine Fallstudie zu Kakuma, einem UNHCR-Flüchtlingslager im Nordwesten Kenias. 1992 gegründet, beherbergt es knapp 200.000 Geflüchtete, die meisten­ aus Südsudan­ und Somalia.

„Unser Wunsch ist ein Diskurswechsel“, erklärt Krause. „Zu Konflikt und Flucht ist viel geforscht worden, zur Bedeutung von Frieden nicht.“ Es gelte, „sich von einer eurozentrischen Friedensdefinition zu lösen“ und „Flüchtlinge auch als Akteure sehen, nicht nur als humanitäre Objekte.“

Im Spätsommer wird Nadine Segadlo, seit Januar 2020 wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Krause, dazu nach Kakuma auf Feldforschung gehen, für mehrere Monate; später promoviert sie darüber. Auch Krause plant einen Aufenthalt „im Feld“: „Die Fragestellung dort ist: Welche Rolle spielt Frieden für diese Menschen konkret? Was ist Frieden für sie? Wie setzen sie sich für Frieden ein, sowohl im Lager als auch für ihre Herkunftsregionen?“

Am Ende sollen davon auch Hilfsorganisationen profitieren. „Und natürlich ist das auch ein Thema, das in die Zivilgesellschaft getragen werden sollte, gerade in Zeiten, in denen rechtspopulistisches Denken sich verbreitet.“

Krause und Segadlo sind noch jung. Sie werden noch lange leben müssen in einer Welt, in der Engstirnigkeit, Gewalt und Abschottung zunehmen. Umso wichtiger ist ihre Arbeit. Auch als Korrektiv. Harff-Peter Schönherr

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