Sorgen britischer Unis vor dem Brexit: Johnsons Braindrain

Den Verlust von Wissenschaftlern hat Boris Johnson für seinen Brexit in Kauf genommen. Will er exzellente Forschung, muss er jetzt handeln.

Boris Johnson steht grübelnd vor einer Tafel mit Rechenaufgaben, hinter ihm Studenten

Die Rechnung geht nicht auf: Mit dem Brexit schließt Boris Johnson Unis von EU-Geldern aus Foto: Daniel Leal-Olivas via reuters

Der Name des Programms, das die 136 britischen Unis von ihren Brexit-Sorgen befreien soll, klingt fast wie eine Fernsehshow im Abendprogramm: Global Talent Visa. Erst diesen Montag, fünf Tage vor dem Austritt der Briten aus der Europäischen Union, hat die Regierung in London das Visa-Ass aus dem Ärmel gezogen und versprochen, ab dem 20. Februar die besten Wissenschafter:innen weltweit ins Königreich zu locken. Von einem Signal an die „talentiertesten Köpfe der Welt“ spricht Premierminister Boris Johnson: Seht her, wir schotten uns nicht ab! Guckt, wir wollen doch die besten Wissenschaftler:innen aus dem Ausland!

Das Problem ist: Großbritannien beschäftigt schon ziemlich viele ausländische Forscher:innen. Fast jede und jeder fünfte der rund 211.000 Uni-Beschäftigten stammt aus der EU. Und für die hat Johnson keine so warmen Worte parat. Zwar dürfen EU-Bürger:innen, die jetzt schon in Großbritannien leben, bleiben. Was aber beispielsweise mit Pendler:innen zwischen London und dem Festland passiert oder mit denjenigen, die später für ein paar Jahre außer Landes forschen, aber wieder zurückkehren wollen, scheint Johnson schnuppe zu sein. Auch ob Großbritannien weiter eng mit der EU in Forschungsfragen kooperiert, ließ er bislang offen. Die Frage aber treibt die britischen Unis um wie keine zweite. An der Antwort hängen Tausende Jobs – und viel Geld.

Allein aus dem aktuellen EU-Forschungsprogramm „Horizon 2020“ erhalten britische Unis 6,37 Milliarden Euro. Jedes dritte durch Horizon geförderte Projekt findet auf der Insel statt. Ob Wissenschaftler:innen aus London, Swansea oder Edinburgh auch nach 2020 gefördert werden, hängt davon ab, was Boris Johnson in den kommenden Monaten mit der EU aushandelt.

Kein Wunder, dass vielen EU-Bürger:innen die Unsicherheit schlicht zu groß geworden ist. Der Exodus renommierter Forscher:innen ist so spürbar, dass deutsche Unis öffentlich frohlocken, plötzlich „etablierte Wissenschaftler“ zu bekommen. Früher seien ja „eher junge Leute“ gekommen. Klingt fast nach Schadenfreude.

Den Braindrain hat Boris Johnson für seinen Brexit in Kauf genommen. Wenn ihm wirklich was an exzellenter Forschung at home liegt, muss er jetzt dafür sorgen, dass die Europäer:innen in Zukunft wieder kommen wollen. Und das geht nur, indem er ihnen einen Aufenthaltsstatus zusichert – und Studierenden auch künftig die Gebühren erlässt. Bis Ende des Jahres wollen London und Brüssel sich darauf verständigen. Eine Verlängerung hat Johnson ausgeschlossen. Was nicht unbedingt zur Beruhigung der britischen Unis beiträgt.

Anm. d. Red.: In einer früheren Version hieß es, dass laut BBC die Hälfte der rund 211.000 Uni-Beschäftigten aus der EU stamme. Der tatsächliche Anteil beträgt laut der britischen Higher Education Statistics Agency jedoch nur 18 Prozent.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Seit 2013 für die taz tätig, derzeit als Bildungsredakteur sowie Redakteur im Ressort taz.eins. Andere Themen: Lateinamerika, Integration, Populismus.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.