piwik no script img

„Größte Evakuierung der Geschichte“

In Australien sind Tausende von Touristen aufgefordert, die Brandgebiete im Südosten des Landes zu verlassen. Am Samstag sollen die Temperaturen erneut über 40 Grad steigen

Aus Canberra Urs Wälterlin

Für die Urlauber an einem 250 Kilometer langen, sonst besonders szenischen Streifen der australischen Küste galt am Donnerstag nur eines: weg von hier, so rasch es nur geht.

Die katastrophalen Bedingungen, die am Mittwoch an der Südküste von New South Wales und im Osten des Bundesstaates Victoria infernoartige Feuer entfacht hatten, würden am Samstag wiederkehren, wenn die Temperatur 46 Grad erreichen könne, warnte die Feuerwehr bei einer Pressekonferenz.

Der „NSW Rural Fire Service“ forderte die Menschen auf, aus dem Gebiet um die Stadt Bate­mans Bay bis zur Grenze des Bundesstaates zu fliehen, wo ein Landungsschiff der Marine die Evakuierung von Menschen vorbereite, die im Ort Mallacoota in Victoria eingeschlossen sind. „Falls Sie planen, an diesem Wochenende die Südküste zu besuchen, ist das nicht sicher. Seien Sie am Samstag nicht in der Gegend!“, warnte die Feuerwehr eindringlich.

Der Transportminister von New South Wales, Andrew Constance, sprach von der „größten Evakuierung in der Geschichte der Region“. Die Autos von Tausenden Urlaubern, die Richtung Norden nach Sydney wollten, stauten sich. „Highway der Hölle“ – beschrieb ein Beobachter die Szene. Auch wer noch nicht fliehen wollte, sah sich mit mehreren logistischen Problemen konfrontiert. So blieb nicht nur in weiten Teilen der von Bränden heimgesuchten Gegend die Stromzufuhr unterbrochen. Panikkäufe sowohl von Touristen als auch von Einheimischen ließen Supermärkte ihre Türen verbarrikadieren.

Selbst wer den Aufforderungen der Behörden Folge leisten und losfahren wollte, hatte ein Problem: Tankstellen hatten keinen Treibstoff mehr, weil die Lieferung unterbrochen worden war. Während der Brände umgefallene Bäume versperrten auch am Donnerstag wichtige Zufahrtsstraßen. An einigen Orten sei die Hitze des Feuers so intensiv gewesen, dass der Asphalt geschmolzen sei, so die Behörden.

Seit Beginn der Brände im Oktober sind im Bundesstaat New South Wales 15 Menschen gestorben. Eine weitere Person wurde am Donnerstagabend vermisst. Eine Fläche größer als die Belgiens ist abgebrannt. 1.298 Häuser wurden Opfer der Flammen. Über 110 Feuer brannten am Donnerstag noch.

Im Bundesstaat Victoria war bis Donnerstag ein Todesopfer zu beklagen. Mindestens 766.000 Hektar Land sind abgebrannt. Hier brennen noch 50 Feuer.

„Seien Sie am Samstag nicht in der Gegend!“

Warnung der Feuerwehr vor dem Besuch der Südküste

Doch auch andere Bundesstaaten sind von der größten Feuerkatastrophe der jüngeren Geschichte Australiens betroffen. Auf der Insel Tasmanien brennen noch 30 Feuer. 8.000 Hektar wurden abgebrannt, ein Haus wurde Opfer der Flammen.

In Südaustralien ist bisher ein Todesopfer zu beklagen. 60.000 Hektar sind abgebrannt, 88 Häuser wurden zerstört. Im nördlichen Queensland brennen weiterhin etwa 30 Feuer, 250.000 Hektar Land sind abgebrannt, 45 Häuser wurden zerstört. Auch in Westaustralien brennen noch 30 Feuer. 1,2 Millionen Hektar Land sind verbrannt.

Premierminister Scott Morrison musste sich auch am Donnerstag Kritik zur Klimapolitik der konservativen Regierung anhören, die von immer mehr Stimmen als ungenügend bezeichnet wird. Wissenschaftler meinen, die Intensität der Feuersbrünste sei im Wesentlichen auf die Folgen der vom Menschen verursachten Erderwärmung zurückzuführen. Morrison sagte während einer Pressekonferenz in Sydney, er verstehe zwar die Angst und nehme den Klimawandel ernst. Die Brände seien aber „eine Naturkatastrophe, die man am besten auf ruhige, systematische Art und Weise“ behandeln solle.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen