Dorsche mit Sprengstoff

Abbauprodukte von Weltkriegsmunition wurden in Fischen gefunden. Risiken für Menschen nicht erforscht

Von Sophie Hansen

Forscher eines interregionalen Forschungsprojektes haben in Dorschen giftiges Arsen nachgewiesen. In dreizehn von hundert Muskelproben, also dem Fleisch, was als Fischfilet verkauft wird, wurde die Chemikalie festgestellt. Grund für die Belastung der Fische sind die über 1,6 Millionen Tonnen Munition, die laut der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren im Wasser vor deutschen Küsten liegen. Bei der Munition handelt es sich nach Angaben der Bundesregierung hauptsächlich um Munition aus dem 2. Weltkrieg, die von den Alliierten dort versenkt wurde.

Doch obwohl die Belastung durch Munition im Meer seit Jahrzehnten bekannt ist, hat die Bundesregierung bisher noch keinerlei Forschung in Auftrag gegeben, die die Folgen für die Menschen und Meeresbewohner untersucht. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der FDP-Fraktion hervor, die der taz vorliegt. Niemand kann also Aussagen darüber treffen, wie groß die Konzentration von Arsen und anderen toxischen Abbauprodukten von Munition in Fischen ist.

„Genau darin liegt die Gefahr: Wir wissen, dass Speisefische mit hochgiftigen Stoffen belastet sind und ein potenzielles Gesundheitsrisiko für den Verbraucher besteht, aber nicht wie hoch dieses Risiko wirklich ist“, sagt Olaf in der Beek, FDP-Abgeordneter im Bundestag. Neben acht Munitionsversenkungsgebieten in der Ostsee gäbe es sieben in der Nordsee. Hinzu kämen 50 munitionsbelastete Flächen, und jeweils 21 Verdachtsflächen in der Ostsee und im deutschen Teil der Nordsee.

Und nicht nur Arsen wurde in Fischen nachgewiesen. In der Kieler Bucht seien zum Beispiel Plattfische mit teilweise giftigen Abbauprodukten von Sprengstoffen, wie TNT oder ADNTs, belastet, sagt in der Beek. Die aktuellen Forschungsergebnisse beweisen ihm zufolge auch, dass die Tumorrate bei Plattfischen aus Munitionsversenkungsgebieten mehr als dreimal so hoch ist, wie bei Fischen aus unbelasteten Gebieten.

In der Beek sieht Handlungsbedarf, um die Risiken für den Verbraucher abzuklären. „Angesichts dessen, dass die Schadstoffe im Filet von Speisefischen nachgewiesen wurden, brauchen wir schleunigst eine Risikobewertung“, sagt er. „Fakt ist, dass arsenhaltige chemische Schadstoffe, wie die Abbauprodukte von versenkter Munition, schon in sehr niedriger Konzentration krebserregend sind.“

Es gäbe die Möglichkeit die Meere mit Hilfe von Robotern zu „reinigen“. Das sei deutlich umweltfreundlicher als konventionelle Kampfmittelbeseitigungen durch Sprengungen unter Wasser, sagt in der Beek.

Obwohl die Räumung von Kampfmitteln rechtlich Ländersache ist, müssten Bund und Länder seiner Meinung nach zeitnah gemeinsam eine Lösung finden, vor allem weil die Munition mit fortschreitender Zeit zunehmend korrodiere und weiter giftige Stoffe freisetze. Die Bundesregierung kündigte in ihrer Antwort an, sich der Thematik in einem Expertenkreis gemeinsam mit den Küstenländern anzunehmen.