Kommentar von Marco Carini über das Urteil in der Stones-Affäre: Wo genau war der Vorteil?
Das Urteil ist hart und es könnte den Kurs vorgeben: Elke Badde, Sozialdemokratin und ehemalige Staatssekretärin von Ex-Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD), wurde zu einer Geldstrafe von über 20.000 Euro verurteilt. Weil sie zwei Karten für das Rolling-Stones-Konzert im Stadtpark über Bezirksamts-Chef Harald Rösler orderte und diesem im Nachhinein den Segen dafür gab, dass er auf Einladung des Veranstalters an dem von ihm mitorganisierten Konzert samt eines Empfangs teilnahm.
Vorweg: Es ist gut, dass es strenge Richtlinien für die Annahme von Geschenken für die Hamburger Verwaltung gibt. Sie müssen strikt eingehalten werden, um jeder Form von Korruption vorzubeugen. Das Urteil des Hamburger Amtsgerichts aber schießt über das Ziel hinaus: Elke Badde hat die Karten zum regulären Preis geordert. Sie hat sie schließlich nicht in Anspruch genommen. Ihr Vorteil lag nur darin, so argumentieren Staatsanwaltschaft und Gericht, dass sie durch ihre Order Tickets unter Garantie erhalten hätte, die vielleicht irgendwann auf dem freien Markt hätten vergriffen sein können – was aber faktisch nicht eintrat.
Dass Badde unter diesen Vorzeichen kein Bewusstsein dafür hatte, eine Straftat zu begehen, darf ihr geglaubt werden. Es ist schwer nachvollziehbar, wo ihr der „erhebliche“ Vorteil erwachsen ist, der das Urteil rechtfertigen würde.
Und dass die Staatsrätin der Meinung war, ein Bezirksamtschef dürfe als Repräsentant der Verwaltung ein Konzert besuchen, dass er selber in den Bezirk geholt hat, ist mehr als nachvollziehbar. Das auch hier eine Straftat vorliegt, mag aus dem geschlossenen Universum der Paragrafen zwar herauszudestillieren sein – weltfremd aber ist es allemal.
In der Wirtschaft heißt es: Eine Hand wäscht die andere, Freikarten und Einladungen erhalten Geschäftsbeziehungen. Dass diese Regeln des Begünstigungs-Wildwuchses für Politik und Verwaltung, beides aus Steuergeldern finanziert, nicht gelten ist ein Grundpfeiler unseres Rechtsstaates.
Doch wir brauchen auch selbstbewusste AmtsträgerInnen, die ihre repräsentativen Verpflichtungen, die oft weit in die Abendstunden gehen, wahrnehmen sollen, ohne dass ihnen ständig im Nacken sitzt, die gerade aus dienstlichen Gründen wahrgenommene Einladung könnte eine Straftat sein und das vom Gesprächspartner ausgegebene Bier könnte ihnen den Job kosten. Dass nun eine Lawine von Strafverfahren mit hohen Geldbußen auf diejenigen zukommt, die zu den für alle KäuferInnen geltenden Konditionen von Rösler offerierte Konzerttickets erworben haben, ist des Guten dann doch ein wenig zu viel. inland
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