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Die vielen Beschimpfungen wegen seines Verhaltens im Missbrauchsskandal in Lügde haben Landrat Tjark Bartels krank gemacht Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Landräte vor allem eher unspektakulärer, ländlicher Regionen sind außerhalb selbiger meist nicht sonderlich bekannt. Bei Tjark Bartels (SPD) ist das anders: Er erlangte unrühmliche, bundesweite Bekanntheit als Landrat von Hameln-Pyrmont, dessen Kreisjugendamt den massenhaften Missbrauch von Kindern in Lügde mit ermöglichte. Nun hat Bartels seinen Rücktritt verkündet – allerdings nicht als politische Konsequenz, sondern aufgrund eines schweren Burn-outs.

Seit 13 Jahren ist der 50-jährige studierte Jurist hauptamtlicher Politiker: 2006 gewann Bartels die Wahl zum Bürgermeister der Gemeinde Wedemark. 2013 stellte ihn die SPD Hameln-Pyrmont als Kandidat für die Landratswahl auf, die er in der Stichwahl gegen seinen Herausforderer Uwe Schünemann (CDU) gewann.

Bartels musste im Rahmen des Missbrauchsskandals im nordrhein-westfälischen Lügde viel einstecken: Politischen Druck erhielt er vor allem von den CDU- und FDP-Landtagsfraktionen, denn ein Teil des Behördenversagens betrifft das Land Niedersachsen. Trotz drei aktenkundiger Hinweise aus dem Jahr 2016 auf mögliche pädophile Neigungen des mittlerweile verurteilten Hauptverdächtigen hatte das Jugendamt des Kreises Hameln-Pyrmont dem Mann ein junges Mädchen zur Pflege gegeben, das er später missbraucht haben soll.

Als Ende 2018 die Ermittlungen anliefen, löschte eine Jugendamtsmitarbeiterin einen Aktenvermerk, der sich als früher Hinweis auf pädophile Neigungen des Pflegevaters liest. Bartels erklärte dazu, man bereite die fristlose Kündigung der Mitarbeiterin vor. Zu wenig, befanden CDU und FDP: Bartels müsse die politische Verantwortung übernehmen. Das tat er nicht und erntete dafür unzählige Beschimpfungen und Beleidigungen in sozialen Netzwerken und Kommentarspalten.

Jahrelang, erklärte er jetzt in einem gut neun Minuten langen Video auf Youtube, habe er solcherlei Beschimpfungen ausgehalten: „Im Fall Lügde war meine Grenze aber deutlich überschritten.“ Bereits seit drei Monaten sei er erkrankt und das Ziel, wieder gesund zu werden, könne nicht erreicht werden, wenn er in seinen Beruf zurückkehre.

Die Frage ist berechtigt, ob es nicht politisch und auch gesundheitlich verantwortungsbewusster gewesen wäre, wenn Bartels bereits vor einem halben Jahr gegangen wäre. Die Stellungnahme der FDP-Landtagsabgeordneten Sylvia Bruns aber, die trotz besseren Wissens um die Erkrankung Bartels’von einem „freiwilligen Rückzug“ spricht und davon, dass Bartels „die Zeichen der Zeit erkannt“ habe und einem erzwungenen Rücktritt nur zuvorgekommen sei, entspricht in etwa dem Niveau der anonymen Online-Hater. Simone Schnase

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