Seilschaft gegen Kohle

Umweltschützer*innen haben im Hafen und am Kraftwerk Moorburg gegen Kohle-Energie protestiert. Aktivist*innen blockierten die Kattwykbrücke

Gegen die Nutzung von Kohle-Strom: Demon-strantInnen besetzen die Kattwyk-brücke im Hamburger Hafen Foto: Jannis Große

Von Yasemin Fusco

Die Schornsteine des Kohlekraftwerks Moorburg husten an diesem Freitagmittag keine weißen Wolken in die Atmosphäre. Ausgerechnet an diesem Tag steht das Kraftwerk von Vattenfall still. Vor dem Eingang präsentiert eine elektronische Tafel die Botschaft: „Dialog? Gerne!“

Wurde sie eigens für den Klima-AktivistInnen angebracht? Rund 600 Menschen hatten sich aufgemacht, um gegen die Nutzung fossiler Brennstoffen zu demonstrieren. Sie forderten den sofortigen Ausstieg aus Braun- und Steinkohle sowie die Stilllegung aller Kohlekraftwerke. Neben einer Fahrraddemo, die vor die Kraftwerkstore führte, kam es im Hafen auch zu Blockade- und Abseilaktionen. Zusammengetan hatten sich an diesem Tag Anwohner*innen aus dem Hamburger Süden, Aktivist*innen vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), von „Fridays for Future“ sowie der Politgruppen „deCOALonize“ und „völli bleibt“.

Rund acht verregnete Kilometer Fahrradstrecke ließen sie nach Moorburg von Wilhelmsburg aus hinter sich, wo die Fahrradtour am Morgen an der dort gelegenen Behörde für Umwelt und Energie (BUE) gestartet war. Über die Kattwykbrücke führte der Demozug in großen Kurve auf das Kraftwerk zu, dazu gab es Protestgesänge und Plakate mit Aufschriften wie „Liebe statt Kohle“.

Eskortiert wurde die Fahrrad-Demo von der Polizei, die den Ablauf als „reibungslos, friedlich und kooperativ“ bezeichnete.

Das Steinkohlekraftwerk wurde in Moorburg an der Süderelbe seit Ende 2007 vom Energiekonzern Vattenfall errichtet. Investition: rund 3 Milliarden Euro.

Mit Zustimmung der Grünen ging es 2015 in Betrieb. Auf Wunsch der damaligen CDU-Regierung wurde es doppelt so groß gebaut wie zunächst geplant.

Die Leistung von 1,6 Gigawatt reicht für jährlich bis zu elf Milliarden Kilowattstunden (kWh). Der Wirkungsgrad liegt bei etwa 46 Prozent.

Etwa 12.000 Tonnen Steinkohle werden täglich verbraucht, also rund vier Millionen Tonnen im Jahr.

Kohlenstoffdioxid stößt das Kraftwerk jährlich rund 8,5 Millionen Tonnen aus.

Zeitgleich zur Demo zogen rund 120 Personen zur nahe gelegenen Kattwykbrücke, um sie zu blockieren. Einige seilten sich davon ab, um Transparente aufzuhängen und auch den Schiffsverkehr zum Kohlekraftwerk zu stören. Der Verkehr wurde für mehrere Stunden lahmgelegt. Am Nachmittag räumte die Polizei die Demonstrant*innen. Die Aktivisten wurden wegen Nötigung vorläufig festgenommen, hieß es von der Polizei.

Auch die Fahrradfahrer*innen der Demo mussten wegen der Blockade auf ihrem Rückweg über Harburg ausweichen. Sie feierten ihren gemeinsamen Protest mit Livemusik und Tänzen als gelungene Aktion.

Für viele Anwesende war es unverständlich, warum das noch junge Kohlekraftwerk Moorburg überhaupt vor vier Jahren ans Netz gegangen ist. Auch eine Rüge vom Europäischen Gerichtshof wegen wasserrechtlicher Verstöße handelte sich das Unternehmen Vattenfall ein.

Das setzt nun auf Schlichtung: „Vattenfall hat sich ein fossilfreies Leben innerhalb einer Generation zum Ziel gesetzt“, sagte Sandra Kühberger, Pressesprecherin von Vattenfall. Das Ziel gelte auch für Moorburg und entspreche dem Ergebnis der Kohlekommission.

AktivistInnen versammelten sich vor der Zufahrt des Kohlekraftwerks Moorburg Foto: Mauricio Bustamante

Doch was die Kohlekommission ausgehandelt hat, nämlich den Kohleausstieg bis 2035, finden die Protestierenden vor dem Kohlekraftwerk nicht schnell genug. „Wir fordern, das Kohlekraftwerk Moorburg deutlich vor 2030 abzuschalten“, sagte ein Vertreter der BUND-Jugend auf seiner Rede bei der Kundgebung.

In Deutschland wurde die letzte Tonne Steinkohle im vergangenen Jahr feierlich gefördert, seitdem wird Steinkohle zu 100 Prozent importiert, aus Ländern wie Russland oder Kolumbien, in denen die Arbeiter*innen von Menschenrechtsverletzungen berichten.

Und dass das Kraftwerk an diesem Freitag nicht am Netz war? Das habe nichts mit den Protesten zu tun gehabt, sagt Vattenfall-Sprecherin Kühberger: Es habe eine „Revision“ stattgefunden.