Tschetschenischer Oppositioneller: Abschiebung in die Gefahr

Bayern will den tschetschenischen Oppositionellen Mochmad Abdurachmanov zur Ausreise nach Russland zwingen. Menschenrechtler sind alarmiert.

Ein Mann wird bei Dunkelheit eine blau beleuchtete Flugzeugtreppe hinaufgeführt, im Vordergrund steht Sicherheitspersonal

Memorial glaubt, dass die tschetschenischen Behörden den Mann in Russland „jagen“ werden Foto: dpa

KIEW taz | Das russische Menschenrechtszentrum Memorial ist entsetzt über die deutsche Ausreiseaufforderung an den tschetschenischen Oppositionellen Mochmad Abdurachmanov. „Deutschland hilft Ramsan Kadyrow bei der Unterdrückung von Oppositionellen“ kommentiert Memorial Ende der Woche die Entscheidung. Deutschland spiele mit der geplanten Ausweisung Abdurachmanovs den Verfolgungen Oppositioneller durch Tschetscheniens Präsidenten Kadyrow in die Hände.

Memorial geht davon aus, dass die tschetschenischen Behörden Abdurachmanow nach seiner Rückkehr nach Russland „jagen“ werden. Sie könnten ihn und seine Familie zur Geisel machen, um auf den außerhalb Russlands lebenden Bruder Druck auszuüben. Für Abdurachmanow wäre, so Memorial, wegen der in Tschetschenien üblichen Sippenhaftung eine Rückkehr nach Tschetschenien eine existenzielle Bedrohung.

Mochmad Abdurachmanov ist der Bruder des tschetschenischen Oppositionellen und bekannten Bloggers Tumsu Abdurachmanov. Am 9. März hatte Tschetscheniens Parlamentssprecher Magomed Daudow zur Blutrache an Tumsu Abdurachmanow aufgerufen. Bereits im Januar hatte Amnesty International vor dessen Abschiebung nach Russland gewarnt.

Gegenüber der taz bestätigte Johanna Künne, Anwältin von Mochmad Abdurachmanow, die endgültige Ablehnung von Abdurachmanovs Asylantrag durch ein bayerisches Verwaltungsgericht. Das Gericht, so Künne, war der Auffassung, dass für Abdurachmanov in Russland eine inländische Fluchtalternative bestehe. Neben einer drohenden Abschiebung beunruhige sie auch, „dass man ihn in die Ecke eines gefährlichen und extremistischen Verfassungsfeindes stellen will“.

Deutschland spielt russischen Behörden in die Hände

Im August war Mochmad Abdurachmanov von einem Augsburger Gericht zu einer Geldstrafe von 1.350 Euro verurteilt worden, weil er einen Artikel der Deutschen Welle geteilt hatte, der mit einem Foto bebildert war, das Symbolik des „Islamischen Staats“ zeigte.

Dabei, so Anwältin Johanna Künne zur taz, gebe es zur Strafbarkeit der Verwendung verbotener Kennzeichen unterschiedliche Rechtsauffassungen: „Nach Rechtsprechung des BGH kommt es nicht allein auf die Verwendung eines verbotenen Kennzeichens an, sondern auch auf die Umstände der Verwendung. Wenn ein Symbol erkennbar nicht benutzt wird, um die verbotene Vereinigung zu unterstützen oder zu bewerben, sondern, wie hier, ein kritischer Zeitungsartikel über die Vereinigung geteilt wird, dürfte das nach der Rechtsprechung des BGH nicht strafbar sein.“

Gegenüber der taz erklärte Swetlana Gannuschkina von Memorial, der Fall von Mochmad Abdurachmanov sei nicht das erste Mal, dass Deutschland russischen Behörden mit der Abschiebung Oppositioneller in die Hände spielte. Im Februar 2018 war der Tschetschene Schamil Soltamuradow von Deutschland nach Russland abgeschoben worden, so Gannuschkina.

Das Vergehen: Mochmad Abdurachmanov hatte einen Artikel der Deutschen Welle geteilt

Soltamuradow war 2018 trotz eines französischen und deutschen Auslieferungsverbots nach Russland abgeschoben worden. Im April 2019 wurde er von einem russischen Gericht zu 17 Jahren Haft wegen eines Aufenthalts in einem Trainingslager des „Islamischen Staats“ verurteilt. Noch kurz vor seiner Abschiebung hatte Soltamuradow die Anschuldigungen zurückgewiesen.

Auch ukrainische Behörden arbeiten mit den russischen Strafverfolgungsbehörden zusammen. Ende der Woche verlängerte ein Gericht in Charkiw die Auslieferungshaft für den tschetschenischen Oppositionellen Achmad Ilajew. Dessen Auslieferung verlangt das russische Büro von Interpol.

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