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Zu wertvoll für die Mülltonne

Supermärkte sollen Lebensmittelnicht mehr einfach wegwerfen, fordern Hamburg und Bremen

Landen in der Tonne: nicht verkaufte Brötchen Foto: Christoph Söder/dpa

Von Jan Zier

Bremen will gemeinsam mit Hamburg dafür sorgen, dass Supermärkte weniger Lebensmittel wegwerfen, die noch genießbar sind. Das Bundesland unterstützt eine entsprechende Bundesratsinitiative des Hamburger Senats. Ziel ist es, den Handel gesetzlich dazu zu verpflichten, hygienisch einwandfreie Lebensmittel an gemeinnützige Organisationen zu spenden.

In Hamburg ist man mit einem ähnlichen Vorstoß im Juni schon einmal gescheitert: Die Mehrheit der CDU-geführten Bundesländer hatte einen Antrag abgelehnt, der das sogenannte Containern legalisieren wollte. Denn das ist, rein juristisch betrachtet, illegal und kann als Diebstahl oder Hausfriedensbruch bestraft werden. Menschen sollten sich nicht in solch hygienisch problematische Situationen begeben, hatte Sachsens CDU-Justizminister Sebastian Gemkow zur Begründung verlauten lassen – und auf „Haftungsfragen“ verwiesen, falls jemand von verdorbenen Lebensmitteln krank werde. Statt das Containern zu legalisieren müsse die Verschwendung eingedämmt werden.

Darauf zielt nun die Initiative aus Hamburg und Bremen ab: Bisher spenden Supermärkte Lebensmittel nur auf rein freiwilliger Basis. Die Bundesregierung will zwar die Lebensmittelverschwendung in Deutschland bis 2030 um die Hälfte reduzieren. Dieses Ziel haben auch die Vereinten Nationen ausgegeben. Doch die große Koalition in Berlin setzt weiterhin auf Freiwilligkeit und verzichtet bislang auf ein Gesetz. Das wollen die Länder im Bundesrat nun ändern.

Den Aufwand für die Supermärkte halten Hamburg, Bremen und auch Thüringen für „vertretbar“. Schließlich gehe es vor allem um Obst, Gemüse und Backwaren, die schon „in kon­sumfertiger Form“ vorliegen, aber aussortiert werden, weil die Mindesthaltbarkeit überschritten ist oder den „Konsumentenerwartungen an Frische und Verfügbarkeit“ nicht mehr entsprechen, wie es der Antrag für den Bundesrat formuliert – und die deshalb aus Gründen des Marketings aussortiert würden. „Gesundheitliche Risiken, die zu einem Ausschluss der weiteren Verwendung der Ware als Lebensmittel führen, sind eher selten die Ursache“, heißt es in dem Antrag.

Eine Studie der Gesellschaft für Konsumforschung kam zu dem Ergebnis, dass 2017 in Deutschland 55 Kilo Lebensmittel pro Kopf weggeworfen wurden. Die Umweltschutzorganisation World Wide Fund For Nature (WWF) errechnete 2015, dass mehr als 18 Millionen Tonnen Nahrungsmittel in Deutschland pro Jahr im Abfall landen – und bereits heute zehn Millionen Tonnen dieses Abfalls vermeidbar wären.

Das „Bündnis Lebensmittelrettung“ fordert sogar ein Wegwerfverbot von Lebensmitteln. Das hat der Zusammenschluss aus den Unternehmen „TooGoodToGo“ und „SirPlus“ sowie den Initiativen „Restlos Glücklich“ und „foodsharing“ in einem offenen Brief formuliert, den 34 Organisationen unterschrieben haben.

Als Vorbild dient Frankreich, wo seit 2016 ein Gesetz gilt, das Supermärkte ab einer Größe von 400 Quadratmetern verpflichtet, eine Vereinbarung mit gemeinnützigen Organisationen über das Spenden von Lebensmitteln zu schließen, die sonst als Abfall entsorgt würden.

Das Bündnis Lebensmittelrettung fordert ein Wegwerfverbot von Lebensmitteln

Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels, der gegen eine Legalisierung des Containerns ist, sieht die Supermärkte zu Unrecht an den Pranger gestellt: „Richtig ist, dass lediglich vier bis fünf Prozent der in Deutschland entsorgten Nahrungsmittel im Lebensmittelhandel anfallen“, sagt ein Verbandssprecher. Er gibt den schwarzen Peter weiter: „Weit mehr als die Hälfte wird in privaten Haushalten entsorgt.“

Die Rewe Group, zu der auch der Discounter Penny zählt, kann nach eigenen Angaben nur ein Prozent seiner Lebensmittel nicht verkaufen. Und alles, was sich davon noch bedenkenlos verzehren lasse, stelle Rewe den örtlichen Tafeln zur Verfügung, erklärt das Unternehmen.

Auch das Bremer Kaufhaus „Lestra“ in Horn verschenkt seit einigen Monaten Lebensmittel, die nicht mehr verkauft werden dürfen. Dort hängen nun Schilder, die zeigen dass das Containern ausdrücklich erlaubt ist. „Hier wird keiner angezeigt“, sagt Geschäftsführer Cornelius Strangemann. „Wir freuen uns sehr, dass die Aktion so gut angenommen wird und wir täglich Besuch von Lebensmittelrettern bekommen.“ Das Angebot richte sich „nicht nur an Bedürftige“, sondern stehe allen zur Verfügung, sagt Strangemann. Über Haftungsfragen will er nicht nachdenken: „Wir machen das jetzt einfach und hoffen, dass es gut geht.“

Hamburg und Bremen vertrauen solchen Initiativen aber nicht: Die Erfahrungen mit freiwilligen Lösungen wie in Deutschland und verpflichtenden Regelungen wie in Frankreich machten deutlich, „dass es einer gesetzlichen Verpflichtung des Handels zur Abgabe genießbarer, einwandfreier Lebensmittel“ bedürfe, um deren Verschwendung Einhalt zu gebieten, heißt es in einer Mitteilung des Hamburger Senats.

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