piwik no script img

Stadtluft macht fair

Weltweit arbeiten Fairtrade-Towns daran, den fairen Handel auf der kommunalen Ebene voranzubringen. Auch in deutschen Städten wie Gemeinden arbeiten hierfür Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft eng zusammen

Kongress zur fairen Beschaffung

Vom 18. bis 20. September findet in Köln der Kongress „Fair begegnen – fair gestalten“ statt. Die Veranstaltung zum fairen Handel und fairer öffentlicher Beschaffung richtet sich an Kommunen, entwicklungspolitische Organisationen, Schulen, Universitäten sowie Unternehmen und Verbände, die im fairen Handel engagiert sind. Im Rahmen von Diskussionsrunden und Vorträgen gibt es die Möglichkeit, neue Trends kennenzulernen, sich auszutauschen und Gespräche mit den Produzenten und Produzentinnen aus dem globalen Süden zu führen. Im Rahmen der Veranstaltung findet die Verleihung „Hauptstadt des fairen Handels“ statt sowie die Feier anlässlich der zehnjährigen Titelvergabe an deutsche Fairtrade-Towns.

www.fairtrade-towns.de/aktuelles

Von Volker Engels

Was haben Neumarkt, Berlin und das hessische Gladenbach gemeinsam? Sie gehören zu den mehr als 620 deutschen Städten, Gemeinden und Regionen, die sich „Fairtrade-Stadt“ nennen dürfen oder sich darum beworben haben. Seit zehn Jahren ist die Kampagne, die ihren Ursprung in Großbritannien hat, auch in Deutschland am Start. Weltweit tragen mehr als 2.200 Städte und Gemeinden in 36 Ländern den Titel.

Seit November 2009 ist Neumarkt in der Oberpfalz „Fair­trade-Stadt. „Wir waren die erste Stadt in Bayern und die sechste bundesweit“, erzählt Ralf Mützel, Leiter des Amtes für Nachhaltigkeitsförderung der 40.000-Einwohner-Kommune. Die Bewerbung sei damals schon auf „fruchtbaren Boden gefallen“, der Ratsbeschluss war einstimmig. Das Thema fairer Handel sei seit 2004 Bestandteil des städtischen Leitbildes. „Für uns ist Fairtrade eine Querschnittsaufgabe, die ganz viele Bereiche umfasst.“ Aktuell würden etwa die Mitarbeiter des städtischen Bauhofs mit fair gehandelter und produzierter Arbeitskleidung ausgestattet, regionale zivilgesellschaftliche Akteure des fairen Handels würden mit Projektideen auch finanziell unterstützt.

Getragen wird die deutsche Kampagne vom Verein Transfair, hinter dem unter anderem Kirchen sowie Organisationen aus den Bereichen Entwicklungspolitik sowie Umwelt und Verbraucherschutz stehen.

Für eine erfolgreiche Bewerbung müssen fünf Kriterien erfüllt werden: In einem förmlichen Ratsbeschluss legt die interessierte Kommune fest, die Auszeichnung als Fairtrade-Town anzustreben. Der Anstoß für die Bewerbung kommt nicht immer aus der Politik, in Neumarkt ging die Initiative von der Vorsitzenden des „Eine Welt Ladens“ aus, die zugleich Mitglied im Stadtrat ist. „Oft sind es Akteure aus der Zivilgesellschaft, die den Anstoß für eine Bewerbung geben“, unterstreicht auch Edith Gmeiner, Sprecherin von Transfair. Der Titel wird für zwei Jahre vergeben, aber auf Antrag verlängert, wenn die fünf Kriterien weiter erfüllt sind. „Wir wünschen uns aber, dass eine Auszeichnung nicht das Ziel, sondern Startschuss für ein weiterführendes Engagement ist.“

Die zweite Voraussetzung für die erfolgreiche Bewerbung um den Titel ist eine lokale Steuerungsgruppe, in der Mitglieder aus Politik und Verwaltung, aus der Wirtschaft und Vertreter der Zivilgesellschaft sitzen. Sie koordinieren alle Aktivitäten auf dem Weg zur Fairtrade-Stadt. Außerdem sollen lokale Einzelhandelsgeschäfte und Gastronomiebetriebe motiviert werden, Produkte aus fairem Handel anzubieten. In Neumarkt bieten zum Beispiel inzwischen rund 40 Einzelhandelsgeschäfte und 13 gastronomische Betriebe fair gehandelte Produkte an, mehr als 20 Einrichtungen und Organisatio­nen setzen auf Nahrungsmittel, Kleidung oder Kunsthandwerk mit dem Fairtrade-Siegel.

„Das vierte Kriterium ist, dass öffentliche Einrichtungen wie Schulen, Vereine und Kirchengemeinden Informationsveranstaltungen durchführen und Produkte aus fairem Handel anbieten“, ergänzt die Sprecherin. Kirchengemeinden können zum Beispiel Produkte aus fairem Handel nach dem Gottesdienst verkaufen, Fußballvereine spielen mit fair produzierten Bällen. In Neumarkt gibt es regelmäßig Bildungsveranstaltungen, Vorträge oder Lesungen zum Thema. Die Kinoreihe „Eine Welt – unsere Verantwortung“ zeigt Dokumentarfilme zu verschiedenen Nachhaltigkeitsthemen und zum fairen Handel. Dank Sponsoren ist der Eintritt frei. Zudem bietet der „Eine Welt Laden“ in Neumarkt neben fairen Stadtführen zahlreiche Bildungsmaterialien für Kinder und Jugendliche an, mit denen diese spielerisch ans Thema herangeführt werden.

Auch die hessische Stadt Gladenbach mit ihren rund 12.000 Einwohnern hat den fairen Handel auf die Bildungsagenda gesetzt. Gerade wurde der Titel als „Fairtrade-Stadt“ zum dritten Mal verlängert. „Es ist wichtig, auch bei Kindern früh mit der Bildungsarbeit anzusetzen, um sie für das Thema fairer Handel zu sensibilisieren“, sagt Edith Müller-Zimmermann, die vom Weltladen in Gladenbach in die Steuerungsgruppe der Stadt entsandt wurde. In den Sommerferien gab es eine Veranstaltung zum Thema Schokolade, in der den Kindern der Weg von der Kakaobohne zur fertigen Tafel Schokolade erklärt wurde. Eher an Erwachsene richten sich Vorträge zu den Themen Wasser, faire Mode oder Geschlechtergerechtigkeit, die regelmäßig in den Räumen des Weltladens angeboten werden.

Als fünfte Voraussetzung für die Anerkennung als Fairtrade-Stadt ist eine aktive Öffentlichkeitsarbeit gefordert, mindestens vier Artikel müssen jährlich in den regionalen Medien oder online erscheinen, um auf die lokalen Aktivitäten rund um den fairen Handel aufmerksam zu machen. „Durch die Öffentlichkeitsarbeit soll eine Breitenwirkung erzielt werden“, so Edith Gmeiner. Damit werden auch andere Städte auf die Kampagne aufmerksam.

www.fairtrade-towns.de

www.fairtrade-neumarkt.de

www.fair-in-gladenbach.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen