: Trump weist auf Iran, will aber keinen Krieg
Nach dem Raketenbeschuss saudischer Ölanlagen will sich der US-Präsident mit Riad abstimmen. Saudi-Arabien bittet internationale Experten, im Land zu ermitteln
Von Bernd Pickert
Die nach den Angriffen auf die saudische Ölproduktion von vielen befürchtete schnelle Eskalation im Konflikt zwischen Saudi-Arabien und den USA auf der einen und dem Iran auf der anderen Seite bleibt vorerst aus. US-Präsident Donald Trump erklärte am Montag, es sehe zwar so aus, als ob der Iran für die Angriffe verantwortlich sei. Er wolle aber keinen Krieg mit dem Land führen. Vor jeglicher militärischer Reaktion werde zunächst weiter ermittelt, wer hinter den Angriffen stecke. Die Führung bei möglichen Aktionen habe im übrigen Saudi-Arabien. Außenminister Mike Pompeo werde demnächst dorthin reisen, sagte Trump, ließ den genauen Termin jedoch offen.
Aus Saudi-Arabien hieß es, man lade internationale Experten der UNO und anderer Organisationen ein, an den Ermittlungen mitzuwirken. Zuvor hatte die Regierung erklärt, die bei den Angriffen eingesetzten Waffen stammten nicht aus dem Jemen, sondern aus dem Iran. Die vom Iran unterstützten Huthi-Milizen im Jemen hatten die Verantwortung für die Angriffe übernommen. Sowohl Saudi-Arabien als auch die US-Regierung hatten jedoch sofort den Verdacht geäußert, die Drohnen und Marschflugkörper seien entweder von iranischem oder irakischen Territorium aus gestartet.
Die iranische Führung hat ihrerseits am Dienstag jegliche direkten Gespräche mit der US-Regierung ausgeschlossen. Wenn die USA sich wieder dem von ihnen einseitig aufgekündigten Atomabkommen anschlössen, werde man gern im Beisein der anderen Vertragsstaaten mit der US-Regierung sprechen, niemals jedoch werde es Einzelverhandlungen geben. Vor den Angriffen vom Wochenende war spekuliert worden, es könne am Rande der diese Woche in New York beginnenden UN-Generalversammlung zu einem Treffen zwischen Trump und Irans Präsidenten Hassan Rohani kommen. Davon wollen derzeit beide nichts mehr wissen.
Unklar bleiben bei all diesen Entwicklungen die genauen Ziele der US-Politik gegenüber dem Iran. Seit dem Sturz des Schah-Regimes durch die islamische Revolution des Ajatollah Chomeini vor 40 Jahren ist das Verhältnis beider Länder von Konfrontation geprägt. Präsident George W. Bush erklärte Iran zusammen mit Nordkorea und dem Irak unter Saddam Hussein zur „Achse des Bösen“. Aber er beseitigte durch den Einmarsch in den Irak zunächst den neben dem saudischen Königshaus größten Widersacher Irans, den Nachbardiktator Saddam Hussein. Dies ermöglichte Iran, zur regionalen Führungsmacht mit atomaren Ambitionen aufzusteigen. Wäre der Irakkrieg nicht kurz nach Bushs Siegesjubel 2003 zu jenem blutigen Desaster geworden, als das er inzwischen in die Geschichte eingegangen ist, hätten die US-Amerikaner ihrem damaligen Präsidenten vermutlich die Lügen über Iraks angebliche Massenvernichtungswaffen verziehen. Die damals die Außen- und Militärpolitik beherrschenden Neocons hätten ihre Politik des Regime Change auch auf Teheran ausdehnen können.
So aber waren sie spätestens mit der Wahl Barack Obamas zum Präsidenten 2008 aus allen US-Regierungsämtern verdrängt. Newt Gingrich und John Bolton wurden 2016 zu Trumps außenpolitischen Beratern im Wahlkampf, doch machte sich Trump ihre Hardliner-Position nie voll zu eigen.
Dennoch schien es noch vor einigen Wochen, dass sich die Hardliner um den inzwischen zum Nationalen Sicherheitsberater aufgestiegenen Bolton durchsetzen würden – die rhetorisch markigen Reaktionen auf die Zwischenfälle mit Öltankern in der Straße von Hormus ließen vermuten, die USA befänden sich – unter dem Beifall von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu – bereits auf Kriegskurs. Wäre dem so: Die Angriffe auf Saudi-Arabien wären der letzte Funke gewesen, der die Marschflugkörper in Bewegung setzt.
Stattdessen aber feuerte Trump Bolton in der vergangenen Woche wegen „grundlegender Meinungsverschiedenheiten“. Dass es dabei um den Iran ging, war nicht schwer zu erraten, versucht doch Bolton seit gut 20 Jahren, die USA in einen Krieg mit Iran zu verwickeln.
So bleibt zunächst großes Rätselraten über Trumps Strategie – oder über die Frage, ob er überhaupt eine hat. Sicher ist, dass die nach der Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi vorübergehend wenigstens nach außen demonstrierte Distanz zum saudischen Königshaus endgültig Geschichte ist. Ernsthafte Konsequenzen hatte Trump nach dem Mord an Khashoggi ohnehin nie ziehen wollen; ein vom Kongress beschlossenes Verbot des Waffenexports nach Saudi-Arabien hatte er per Veto gestoppt. Sicher scheint auch, dass erneut weder Nato noch EU in den US-Entscheidungsprozessen eine wichtige Rolle spielen werden. Trump hört auf Riad, dann auf Jerusalem – und letztlich auf sein eigenes Gefühl.
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