Neuer DFB-Präsident: Unfreier als in Freiburg

Es gleicht der Quadratur des Kreises, aber mit Fritz Keller an der Spitze will der DFB sympathisch und modern werden. Kann das gutgehen?

Ein Mann, Fritz Keller

Wird hohem Erwartungsdruck begegnen: Fritz Keller Foto: dpa

BERLIN taz | Schwer zu sagen, ob es an der plötzlichen Berühmtheit von Fritz Keller liegt, dass vor allem die teuren Weine seines Guts am Kaiserstuhl ausverkauft sind. Der 2016er Chardonnay „Kirchberg“ ist ebenso weg wie der Weißburgunder „Im Leh“ oder der Grauburgunder „Schlossberg“ des gleichen Jahrgangs.

Für jede dieser Flaschen wird im Hofverkauf jeweils der Preis von 35 Euro aufgerufen, was die Weinexperten vom Gourmetblatt Welt für ziemlich billig halten, also im Vergleich zu den Preisen der Winzer im benachbarten Elsass. „Fritz Kellers gemäßigte Preispolitik vermittelt die Volksnähe des Patrons“, schreiben die Kollegen und liefern damit einen Hinweis auf die Keller’sche Grundbefindlichkeit.

Kellers Volkswein nennt sich Oberberger Bassgeige, und dessen sonorer Abgang wird wohl nicht nur im süddeutschen Raum geschätzt, wo Fritz Keller bis dato als Präsident des SC Freiburg eine mittlere bis gehobene Position im badischen Genussadel besetzt. In dieser Woche hat sich der designierte Präsident des größten Sportverbands der Welt, des Deutschen Fußball-Bunds, in den ICE gesetzt und ist nach Berlin gefahren, um sich einer Hundertschaft Anzugträger vorzustellen. Keine angenehme Sache, das.

Nach der Ochsentour war er auch sichtlich erschöpft, aber eine „schöne Wurscht“ (Keller) und ein „Schoppen“ (derselbe) wird den Hüter feiner Mikroterroirs schon wieder aufgerichtet haben, selbst im preußischen Norden. Am Mittwochvormittag war der Mann mit der schwarzen Charakterbrille bei Provinzfürsten des DFB vorstellig geworden, bei Regionalverbandlern, die ihn mit großer Mehrheit als den kommenden Mann feierten – nur Sachsen schoss wieder quer.

Dann ist er flugs rüber ins Hotel Maritim gegangen zu den alerten Herren der Deutschen Fußball-Liga. Spötter würden jetzt sagen, wie kurz doch der Weg von einer Oberberger Bassgeige zu Frankfurter Arschgeigen ist, aber so ein überflüssiger Kommentar würde natürlich die neue, demonstrativ zur Schau gestellte Harmonie der Fußballver­bands­oberen ganz erheblich stören.

Der ideale Präsident

Derlei Unbotmäßiges wäre von Fritz Keller auch nie zu hören, denn glaubt man den Worten der Leute, die den 62-Jährigen kennen, ist Keller so etwas wie ein freundlicher Halbgott auf zwei Beinen, der offenkundig nicht nur zu Bacchus gute Beziehungen unterhält, sondern auch zu Christian Seifert, seines Zeichens Geschäftsführer der DFL. Dessen Kollege Reinhard Rauball, scheidender Chef der Deutschen Fußball-Liga, rühmte Keller als „unabhängigen Unternehmergeist“, der einen „ganz klaren Wertekanon“ besitze. Auch mit dabei im Portfolio des Wohlverhaltens: „große Bodenständigkeit“.

DFB-Interimspräsident Rainer Koch sagte: „Mit Fritz Keller haben wir den idealen Präsidenten.“ Kein Wunder, dass auch die Vereinsvertreter der DFL, die sich ein wenig wegen der Ansprüche des sogenannten Teams Marktwert – eines losen Interessenverbands um Vereine wie Bremen, Frankfurt oder Stuttgart zur Akquise höherer TV-Gelder – in den Haaren lagen, Kellers Kandidatur am Mittwochnachmittag geschlossen begrüßten.

Rainer Koch, DFB-Präsident ad interim

„Brauchen einen Präsidenten, der im Mittelfeld als Spielführer auftritt“

Mit Fritz Keller, das wurde in Berlin deutlich, möchte der DFB ein Projekt starten: #FritzeforFuture könnte man es nennen, wenn der Fußballverband den Anschluss an den Zeitgeist suchte. Es wird so oder so Zeit für Veränderung, denn in der Vergangenheit lief ja ziemlich viel schief.

Grob zusammengefasst waren da: der Korruptionsskandal rund um die Fußballweltmeisterschaft 2006, die Ermittlungen gegen diverse DFB-Funktionäre, ja sogar gegen den Säulenheiligen Franz Beckenbauer. Es drohte die Aberkennung der Gemeinnützigkeit, und dann übernahm zu allem Übel auch noch der CDU-Mann Reinhard Grindel den Verband, um selbigen, um eine schöne Uhr reicher, als Unperson wieder zu verlassen. Nicht zu vergessen: das Gründeln der Nationalmannschaft und der Bedeutungsverlust des Deutschen Fußball-Bundes in internationalen Gremien wie der Uefa und der Fifa.

Strukturwandel im DFB moderieren

Jetzt musste also einer her, der es drauf hat und von allen gemocht wird. Oder wie Koch das Anforderungsprofil beschrieb: „Wir brauchen einen Präsidenten, der im Mittelfeld als Spielführer auftritt. Was wir nicht brauchen, ist ein Präsident, der sich in die engen Zweikämpfe im Strafraum hineinbegibt.“ Um das sicherzustellen, hatten DFB und DFL drei Headhunter-Agenturen kontaktiert. Ausgewählt wurde schließlich das Unternehmen Egon Zehnder („Leadership, die bewegt“) aus Stuttgart. Eine Handvoll Namen wurde der Fußballpräsidentenfindungskommission übermittelt, und mit weitem Abstand, so wurde gesagt, obsiegte Fritz Keller.

Der überlegte nicht lang, auch wenn dieses Amt, wie er bekannte, „nicht in meiner Lebensplanung stand“, aber, so sagte er sich wohl in seiner badisch-pragmatischen Art, „wenn die glauben, dass ich mich da einbringen kann, dann mach ich das halt.“ Keller möchte von der „Kreisliga bis zur Nationalmannschaft“ alle vertreten. Dieser Anspruch ist wahrlich nicht neu, aber die greifbare Authentizität des Badeners schon: „Meine heilige Kuh sind die Vereine. Vereine waren die ersten Orte der Demokratie. Vereine geben heute Jugendlichen mehr mit, als wenn man aus dem Fitnessstudio kommt“, deklamierte er. Wieder einmal möchten die Amateure mit den Profis – oder umgekehrt? – versöhnt werden. Und nebenbei soll Keller einen Strukturwandel im DFB moderieren, der es in sich haben könnte.

Alle wirtschaftlichen Aktivitäten werden fürderhin in der DFB GmbH gebündelt, was bei einem Fußballunternehmen, das 400 Millionen Euro umschlägt, sinnvoll ist. Angedacht ist, dass sich der künftige Präsident peu à peu aus dem operativen Geschäft zurückzieht und in seiner Rolle als Chef des eingetragenen Vereins in seiner Rolle als Aufsichtsratsvorsitzender der GmbH aufgeht. Aber bis die Strukturen stramm sitzen, will Keller in einem „24/7-Job“ alles für den DFB geben und mitnichten nur ein „Frühstücksdirektor“ sein, wie die Presse vorschnell mutmaßte.

Dass der Fußballpräsident, wie es geplant ist, künftig keine „Richtlinienkompetenz“ mehr besitzen soll, das sei gar nicht so schlimm, erklärte DFL-Boss Seifert stellvertretend: „Richtlinienkompetenz war nur ein anderes Wort für Alleinherrschaft, diese Zeit endet jetzt, denn es war ein Übel in der letzten Zeit.“ Keller möchte nun sehr viel analysieren, im Team arbeiten, und nicht als Kontrolletti durch die Flure der Otto-Fleck-Schneise in Frankfurt am Main streifen: „Der Präsident ist keine One-Man-Show“, sagte er, „wir haben wirklich sehr gute Fachleute, denen wir Freiräume geben müssen.“

Dass die Methode der langen Leine erfolgreich sein kann, dafür stehe zum Beispiel die Frauenfußballabteilung des SC Freiburg. „Die waren im Grunde autark.“ Und haben gute Arbeit geleistet. Bei der WM in Frankreich standen zuletzt neun Spielerinnen im Kader, die einmal in Freiburg zuhause waren.

„Der Frauenanteil wird sich erhöhen“

Und überhaupt die Frauen. Die will Fritz Keller fördern, was keine schlechte Idee ist. Um darauf zu kommen, musste man sich nur im Berliner Hotel Maritim umschauen. Der geschätzte Frauenanteil im deutschen Fußballfunktionärs- und Fußballmanagerwesen betrug ein bis zwei Prozent, wenn überhaupt (Frauen gab’s eigentlich nur im Hostessenkostümchen). „Der Frauenanteil wird sich erhöhen“, versprach Keller, „aber es muss natürlich über die Qualifikation gehen, anders macht es keinen Sinn.“ Dieser Offenlegung will er alsbald eine weitere folgen lassen – nach Gründung eines „Vergütungsausschusses“. Die Öffentlichkeit solle also erfahren, Stichwort Transparenz, was die Präsidiumsmitglieder im DFB so verdienen.

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Glaubt man der Findungskommission, dann war auch die Berufung Fritz Kellers total transparent, Seifert wollte gar nicht verstehen, warum es in den Medien Kritik am Auswahlverfahren gegeben hat. „Das war keine Mauschelei“, insistierte er. In einem Unternehmen mache man das eben so. Punkt. Und wer sich jetzt noch bewerben wolle, der solle es bis zum Monatsende tun. Interessenten wie Ute Groth, Vorsitzende der DJK TuSA 06 Düsseldorf, müssten halt nur noch einen Landesverband finden, der sie unterstützt. Es versteht sich von selbst, dass Fritz Keller nichts gegen Konkurrenz hat. Warum auch, seine Wahl ist eh nur noch Formsache.

Ute Groth kommt von der Basis. Das hat sie auf gewisse Weise mit dem badischen Gemüts- und Genussmensch gemein: „Wenn man mit Leuten auf dem Platz steht, ’ne Wurscht isst, ’ne Schorle trinkt, dann ist das toll“, findet Fritz Keller. Die Zeit für solche Erlebnisse an der Graswurzel des Sports dürften knapp werden für ihn.

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