Erik Peter über strategische Differenzen in der AfD
: Eine Bismarck-Medaille für bedingungslose Folgsamkeit

So, liebe Freunde, bitte erhebt euch alle und begrüßt mit donnerndem Applaus und dem Schwenken der Deutschlandfahne … Björn Höcke!“ Beim anschließenden Gang durch die Menge schüttelt der rechte AfD-Frontmann, der so gern die Deutschen erlösen will, die ihm entgegengestreckten Hände und gibt sich redlich Mühe, sichtbar bewegt ob des ergebenen Jubels zu sein. Die Szenen des Einlaufs des sich als Heiland gerierenden thüringischen Parteichefs am Samstag beim Treffen des rechtsextremen Parteizusammenschlusses „Der Flügel“ in Leinefelde wirken auf Unbeteiligte unfreiwillig komisch. Für Menschen mit Hang zum Führerkult, wie den Obermufti der Neuen Rechten, Götz Kubitschek, hat die Inszenierung dagegen „qualitative Maßstäbe gesetzt“.

Ähnlich leicht zu begeistern war auch der Berliner AfD-Abgeordnete Thorsten Weiß, der ganz im Sinne der NS-Parole zum Kriegsende „Führer befiehl, wir folgen dir“ nach der Veranstaltung kundtat: „Du bist unser Anführer, dem wir gerne bereit sind zu folgen.“ Da tat es nichts zur Sache, dass Höcke in seiner gegen den Parteivorstand gerichteten Rede zuvor den zumindest strategischen Riss in der Partei vertieft und der AfD womöglich keinen Gefallen getan hatte. Dass Flügel-Bindeglied Weiß so ergeben war, lag vielleicht auch daran, dass Höcke ihm auf der Veranstaltung eine selbst erdachte „Bismarck-Medaille“ verliehen hatte.

Die Frage, wie offen antidemokratisch und völkisch-nationalistisch man sein dürfe, hatten schon in der Woche vor dem Kyffhäuser-Treffen mehrere westdeutsche Landesverbände gestellt. Mittlerweile ist es ein offener Konflikt: „Für eine geeinte und starke AfD“ heißt ein am Mittwoch veröffentlichtes Schrei­ben, das bundesweit 100 Parteifunktionäre unterschrieben haben, und in dem sie Höcke vorwerfen, mit seiner „spaltenden Kritik“ die „innerparteiliche Solidarität“ verletzt zu haben. Acht Berliner Abgeordnetenhaus-Mitglieder und zwei Bezirkspolitiker haben unterschrieben – und sich damit auch von Weiß distanziert.

Unterschrieben haben der Landes- und Fraktionschef Georg Pazderski, der parlamentarische Geschäftsführer Frank-Christian Hansel und „Roland Gläser“, in Berlin als stellvertretender Fraktionschef, Pressesprecher und eher unter dem Vornamen Ronald bekannt. Gläser hatte zuletzt noch in einem öffentlich gewordenen Chat ein Sturmgewehr als Antifa-Neutralisator „toll“ gefunden. Dennoch zeigt die Anzahl der Berliner Unterstützer, dass der Landesverband, zumindest im parteiinternen Vergleich, einer weiteren Radikalisierung skeptisch gegenübersteht.

Das ist insbesondere im Vergleich zu Brandenburg auffällig, wo sich niemand gegen den Flügel und damit auch den eigenen Landesvorsitzenden Andreas Kalbitz wenden wollte. Der hatte in Leinefelde auf den Aufruf von Parteichef Alexander Gauland, sich verbal zu mäßigen, bissig reagiert: „Wir werden uns nicht prostituieren für kleinliche Machtverteilungen.“ Für den Wahlkampf in den kommenden Monaten muss sich Kalbitz wohl andere Marktplatzredner suchen als die Berliner Parteikollegen. In Thüringen wird er aber bestimmt fündig.