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Jungen Alternative und IdentitäreDie AfD hat ein Jugendproblem

Die Berliner AfD-Jugend wählt ein umstrittenes Mitglied in ihren Vorstand. Die Partei reagiert überaus harsch.

Propagandamaterial der Jungen Alternative Foto: dpa

Berlin taz | Die fehlende Abgrenzung zu Rechtsextremen ist für die Berliner AfD-Jugend Junge Alternative (JA) zum existentiellen Problem geworden. Nach dem unfreiwilligen Rücktritt von sieben Vorstandsmitgliedern am vergangenen Donnerstag ist die Organisation derzeit handlungsunfähig. Das bestätigte AfD-Sprecher Ronald Gläser auf Anfrage der taz.

Ganze vier Tage war der neue Vorstand im Amt, der erst Ende November auf einem Landeskongress der Berliner JA gewählt wurde. Der alte Vorsitzende Thorsten Weiß, der für die AfD im Abgeordnetenhaus sitzt, hatte nicht erneut kandidiert. Zum Nachfolger kürten die etwa 70 Delegierten David Eckert. Der aus Thüringen Stammende war zuvor Direktkandidat für den Bundestag und Vorsitzender der AfD-Hochschulgruppe Düsseldorf.

Eckert hat mit seiner Gesinnung schon mehrfach für Empörung gesorgt, etwa wegen eines Kommentars zu einem Facebook-Post über ein geplantes Denkmal zur Erinnerung an lesbische Opfer des Konzentrationslagers Ravensbrück: „Ob es wohl auch bald eine Gedenkstätte für Linkshänder gibt, die im KZ umgekommen sind?“ Für seinen Einsatz ist Eckert derweil belohnt worden: Mit einem Job als Büroleiter des AfD-Bundestagsabgeordneten Steffen Kotré.

Seine Wahl zum Vorsitzenden der Berliner Jungen Alternative hätte diese wohl nicht in die Krise gestürzt. Es ist eine andere Personalie, die deren Niedergang verantwortet: Jannik Brämer, ihr ehemaliger Schatzmeister. Seine erneute Wahl zum stellvertretenden Vorsitzenden der JA hat bei der Berliner Mutterpartei hektische Reaktionen ausgelöst.

Laut Informationen der Zeit kam es zu mehreren Krisengesprächen, in denen die JA-Spitze zum Rücktritt aufgefordert worden sei. Andernfalls, so die Drohung, hätte der JA der Entzug des Status als AfD-Jugendorganisation gedroht. Nach mehreren Treffen trat daraufhin der Vorstand um Eckert zurück, mit Ausnahme von Brämer.

Per Haftbefehl gesucht

Zum Grund sagt Gläser: „Jannik Brämer war nicht bereit, sich an den Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Identitären Bewegung zu halten.“ Laut Vorstandsbeschluss der Bundes-AfD ist eine Zusammenarbeit mit der rechtsextremen Aktionsgruppe untersagt.

Brämer soll Mitte Mai bei einer Identitären-Aktion vor dem Justizministerium mit einem Auto beinahe einen Zivilpolizisten angefahren haben. Dieser sei zur Seite gesprungen und habe sich dabei verletzt. Anschließend hatte ihn die Polizei per Haftbefehl gesucht.

Deshalb wurde gegen Brämer ein Parteiausschlussverfahren eröffnet, das nur aufgrund „eines Formfehlers“ noch nicht abgeschlossen sei, wie Parteisprecher Gläser sagte. Brämer war im Sommer von seinem Posten als Schatzmeister zurückgetreten, hatte aber stets betont, nicht aus der Partei ausgeschlossen worden zu sein.

Auf dem jüngsten Landeskongress der JA hatten ihn rechte Kreise, die ebenfalls mit den Identitären sympathisieren, erneut gewählt. Die Reaktion der Partei haben sie unterschätzt. Eine Zukunft für die JA Berlin gibt es nur, wenn der Bundesverband einen Notvorstand einsetzt, der dann Neuwahlen organisiert.

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3 Kommentare

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  • Eine etwas naive Frage: Gab es eigentlich in der AfD schon einmal ein Ausschlussverfahren wegen "zu rechtextremen" Haltungen, das tatsächlich zum Ausschluss eines Mitglieds geführt hat?

    Alles was ich bisher mitbekommen habe, waren freiwillige Austritte von Mitgliedern, denen die anderen zu rechts waren. Der umgekehrte Fall ist mir bisher nicht geläufig.

    • @Soungoula:

      Solange ein Thilo Sarrazin Mitglied der SPD bleiben darf, sollte man an die AfD keine höheren Erwartungen haben.

    • @Soungoula:

      Wo denken Sie hin, dass wäre ja "sägen am eigenen Ast" in Reinform