piwik no script img

Hafen für leere Schiffe

In Bohmte bei Osnabrück soll ein neuer Containerhafen gebaut werden, gefördert mit Millionen vom Bund. Laut einer Studie ist der aber völlig überflüssig

Enten passen durch, Containerschiffe nicht: eine Brücke über dem Mittellandkanal Foto: Holger Hollemann/dpa

Von Harff-Peter Schönherr

Es begann mit einem Plausch während eines Sonntagsspaziergangs am Mittellandkanal. Damals sprach Martin Becker mit einem Frachtschiffer über den geplanten Spezialhafen für Container in Bohmte bei Osnabrück. Über die Hafenpläne habe sich der Schiffer nur „halb totgelacht“.

Mittlerweile ist Becker Sprecher der Interessengemeinschaft Oelinger Hafen, die das Containerhafenprojekt verhindern will. Seit Ende März haben Becker und seine Mitstreiter*innen die Sinnlosigkeit des Projektes quasi schwarz auf weiß. Das Institut für Verkehrswissenschaft der Universität Münster hat im Auftrag der Interessengemeinschaft eine Potenzialanalyse erstellt.

Es sei „mit einer eher geringen Nachfrage nach wasserseitigem Containerumschlag zu rechnen“, heißt es darin. Und: „Auch vor dem Hin­ter­grund des Entwicklungspotenzials bzw. der guten Ausstattung der Konkurrenzstandorte für wasserseitigen Containerumschlag erscheint die Notwendigkeit eines Containerhafens in Bohmte zumindest zweifelhaft.“ Die Befürworter*innen lassen sich von der Studie nicht beeindrucken. Geht es nach ihnen, fällt die Nachfrage gigantisch aus.

Zweifelhafte Prognosen

Die ersten Prognosen der Entwicklungs- und Investitionsgesellschaft „Hafen Wittlager Land“ (HWL) stellten ein Umschlagvolumen bis 72.000 20-Fuß-Container (TEU) pro Jahr in Aussicht. Damit würde auf den Äckern der 13.000-Einwohner-Gemeinde Bohmte nordöstlich von Osnabrück der größte Binnenhafen Norddeutschlands für Containerschiffe entstehen. Diesen Titel trägt bisher noch Braunschweig. Woher die HWL, die zu 50 Prozent dem Landkreis Osnabrück, zu 37,5 Prozent der Gemeinde Bohmte und zwei Nachbargemeinden gehört, diese Zahlen nimmt, ist unklar. Es gebe eine „Bedarfsermittlung aufgrund einer Befragung der regionalen Unternehmen“, sagt Landrat Michael Lübbersmann (CDU). Zu deren genauen Zahlen schweigt er. Es handele sich „um vertrauliche, interne Details der Unternehmen“.

Mittlerweile hat die HWL das Container-Umschlagsvolumen auf 46.523 TEU reduziert, laut Interessengemeinschaft Oelinger Hafen wiederum ohne diese Zahlen zu belegen. Aber selbst diese Prognosen liegen weit über denen, die die Universität Münster in ihrer Studie aufführt. Die Wissenschaftler*innen gehen gerade mal von einem Sechstel aus, knapp 6.700 TEU.

Neben der fehlenden Nachfrage gibt es noch andere, nicht unwesentliche Probleme: Brücken. Unter vielen, die den Mittellandkanal queren, passen moderne Containerschiffe gar nicht durch. Vier Lagen Container können die Schiffe laden und brauchen eine Durchfahrtshöhe von über neun Metern. Viele Brücken zwischen Bohmte und den Seehäfen sind allerdings weit niedriger, manche unter 5,25 Meter. In Richtung Hamburg kann also nur zwei-, in Richtung Rotterdam sogar nur einlagig gefahren werden.

Hafen für leere Schiffe

Für den größten Binnenschiffhafen, den eigentlich nur fast leere Schiffe ansteuern können, hat die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt des Bundes bereits 6,5 Millionen Euro Fördergelder bewilligt. „Das macht alles keinen Sinn“, sagt Becker. „Entweder handelt es sich um kollektiven Realitätsverlust, oder der Containerhafen ist nur vorgeschoben.“

Eine Hidden Agenda? Einiges spricht dafür. Der Osnabrücker Hafen, betrieben durch die Stadtwerke Osnabrück, hat durch sein unterdimensioniertes Uralt-Schleusensystem Erreichbarkeitspro­bleme. Ein Zweit- oder Alternativstandort muss her. Eine „Machbarkeitsstudie – Binnenhafenentwicklung im Bereich Osnabrück/ Bohmte“ liegt schon auf dem Tisch, seit 2008. Marco Hörmeyer, Sprecher der Stadtwerke, sagt, man unterstütze „ausdrücklich die Entwicklungen in Bohmte“. Aller Fakten der Studie aus Münster zum Trotz.

Landrat bleibt stur

„Die Ergebnisse kommentiere ich nicht“, wehrt Landrat Lübbersmann ab. Es gibt, sagt er, Potenzialanalysen, „fortlaufend aktualisiert“, die „sehr wohl ein erhebliches Umschlagpotenzial“ zeigen. Er sehe „keine Veranlassung“, die Planungen der HWL „ad acta zu legen“. Zahlen nennt er auch hier nicht.

Dass die Brücken höchstens zweilagige Verkehre zulassen, stört ihn nicht: Auch dann sei ein „wirtschaftlicher Betrieb“ möglich. Der Hafen hat eine satte politische Mehrheit. Praktisch auch, dass HWL-Mitgeschäftsführer Klaus Goedejohann gleichzeitig Bohmtes Bürgermeister ist.

„Zielrichtung“ sei der Beginn des Containerumschlags in 2023, beharrt Lübbersmann. Derzeit befindet sich der Bebauungsplan im Normenkon­trollverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg – die Bürgerinitiative hat gegen ihn geklagt.

Nicht nur die Interessengemeinschaft Oelinger Hafen kritisiert das Projekt Containerhafen. Auf einer Podiumsdiskussion vergangener Woche musste sich Lübbersmann unangenehmen Fragen stellen. Geladen waren alle Kandidat*innen für die Wahl des Osnabrücker Landrates. Alle äußerten sich kritisch zum Containerhafen. Die Planung sei möglichst zu stoppen und bestehende Häfen zu ertüchtigen, berichtet die Interessengemeinschaft. Lübbersmann ist unbeirrt und behauptet trotzig, er wisse, das der Hafen ein Erfolg werde.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen