Studie zum Alleinleben: Einsamkeit kann krank machen
Eine Studie zeigt den Zusammenhang von Einsamkeit und Krankheiten. Damit frischt sie ein gesellschaftlich relevantes Thema wieder auf.
In Deutschland gab es vor einem Jahr erst viele Diskussionen um diesen Begriff, ausgelöst von Manfred Spitzers Buch „Einsamkeit. Die unerkannte Krankheit: schmerzhaft, ansteckend, tödlich“. Der Autor bezeichnete Einsamkeit darin als „Todesursache Nummer eins“.
Nun liefert eine Studie neue Erkenntnisse dazu. Die Universität Versailles Saint-Quentin-en-Yvelines hat den Zusammenhang von Alleinleben und psychischen Erkrankungen untersucht. Im Fachblatt „PLOS ONE“ berichten die Forscher*innen, Alleinlebende haben 1,5- bis 2,5-mal eher eine der häufigsten psychischen Erkrankungen als andere Menschen. Dazu gehören etwa Depressionen sowie Angst- und Zwangsstörungen.
Allerdings zeige die Studie nicht, ob das Alleinleben Ursache dieser Erkrankungen ist. Auch die zeitliche Reihenfolge – also die Frage, was zuerst da war, die psychische Erkrankung oder das Alleinsein – wurde nicht untersucht. Aber die Studie zeigt: Es gibt einen statistischen Zusammenhang zwischen dem Alleinleben und Erkrankungen. Und zwar bei den Menschen, die sich einsam fühlen.
Interviews und Fragebögen
Das Team um den Mediziner Louis Jacob von der Universität von Versailles nutzte die Daten von 20.500 Menschen aus England im Alter von 16 bis 64 Jahren, die 1993, 2000 und 2007 an der „National Psychiatric Morbidity“-Erhebung teilgenommen hatten. Dabei wurde die psychische Gesundheit der Teilnehmer mithilfe von Interviews und Fragebögen ermittelt. Zusätzlich zu den so gesammelten Daten nutzten die Forscher Informationen zu Größe und Gewicht, Alkoholabhängigkeit, Drogenkonsum, sozialem Netz sowie dem Gefühl von Einsamkeit.
In den drei Jahren stieg der Anteil der Einpersonenhaushalte in der Erhebung von 8,8 auf 9,8 und schließlich 10,7 Prozent. Gleichzeitig wuchs die Rate an häufigen psychischen Erkrankungen von 14,1 auf 16,3 und 16,4 Prozent. In allen drei Umfragen war ein statistischer Zusammenhang zwischen dem Alleinleben und der Verbreitung psychischer Erkrankungen feststellbar, so die Mediziner.
Die Studie zeigt: Einsamkeit ist ein Problem in unserer Gesellschaft. Auch für Deutschland ist das relevant. Denn nach Daten des Statistischen Bundesamtes waren 2016 41 Prozent aller Haushalte sogenannte Einpersonenhaushalte. Das liegt deutlich über dem EU-Schnitt von 33 Prozent. Entsprechend hoch ist auch die Möglichkeit, dass die Bewohner*innen erkranken.
Das Problem mit der Einsamkeit ist ein komplexes. Allein zu sein bedeutet nicht zwangsläufig, dass Menschen sich einsam fühlen. Und gleichzeitig bedeutet einsam sein nicht, allein zu sein. Sprich: Das Gefühl der Einsamkeit ist nur bedingt abhängig davon, ob jemand Kontakt zu anderen Menschen hat, oder nicht. Immerhin gibt es auch das Phänomen, dass Menschen sich in einer Gruppe von Leuten einsam fühlen. Von außen zu erkennen, wann jemand vereinsamt, ist also schwierig.
Eine Krux
Trotzdem muss sich dem Thema genähert werden, denn das Problem der Vereinsamung kann sich vor allem durch Kontakt mit anderen Menschen lösen lassen. Damit ist es ein gesamtgesellschaftliches. Womit wir bei einer Krux angelangt wären. Denn um Menschen zu helfen, die sich einsam fühlen, müssten die sich bestenfalls zu erkennen geben. Das wiederum ist schambehaftet, gilt es doch gemeinhin als Sache einer einzelnen Person, ihre Gefühle in den Griff zu kriegen. Vor allem, wenn es negative sind. Ein Teufelskreis: Wer sich einsam fühlt und sich schämt, holt sich keine Hilfe, bleibt einsam – und erkrankt möglicherweise auch noch.
Deswegen ist es gut, dass Studien wie diese den Diskurs um die Einsamkeit aufleben lassen. Zum einen sehen Betroffene dann, dass sie nicht alleine sind in ihrer Einsamkeit. Zum anderen wird das Bewusstsein für das Problem geschäft. Und damit hoffentlich auch erkannt, dass die Probleme des Einen auch die des Anderen sind.
Psychologie-Professor Jürgen Margraf von der Universität Bochumplädiert ebenfalls dafür, das Thema gesellschaftlich zu setzen und Menschen dafür zu sensibilisieren, ein Auge auf ihre Mitmenschen zu haben. Er hat auch konkrete Handlungsvorschläge: „Man muss dafür sorgen, dass die Menschen sich begegnen, miteinander ins Gespräch kommen und sich austauschen.“ Dabei sei jeder Einzelne gefragt.
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