Karriere-Magazin „Edition F“: Das verflixte fünfte Jahr
Das Magazin startete vielversprechend, doch jetzt macht ihre Online-Akademie zu und die Chefredakteurin geht. Das Medium muss sich nun neu erfinden.
Wie man die Vision für das eigene Leben findet, wie man Motivation findet, um die eigenen Ziele zu erreichen, wie man gewaltfrei kommuniziert, wie man mit der eignen Angst umgeht. All das wollte die „Female Future Force“ vermitteln, ein Coaching-Programm im Netz, angeboten von der feministischen Online-Plattform Edition F. Namhafte Coaches geben dort in Videos Kurse, etwa der Rapper Curse, der auch als buddhistischer Systemcoach tätig ist.
Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit zum Austausch und Kennenlernen. Die Idee: eine Akademie für junge, selbstbewusste, erfolgsorientierte Frauen, um gemeinsam weiterzukommen. „Die ‚Female Future Force‘ by Edition F ist das wichtigste Netzwerk deines Lebens“, heißt es auf der Seite.
Aber das ist es nicht mehr lange. Denn Ende März gab Edition F bekannt, dass das Programm 2020 eingestellt werden wird. Einige Mitarbeitende wurden bereits entlassen. Eine schwierige Situation für das Magazin, das gerade seinen fünften Geburtstag feiert. Obendrauf kam in dieser Woche die Nachricht, dass Chefredakteurin Teresa Bücker das Magazin verlassen wird. Beinahe versteckt in einem sonst optimistischen Geburtstagsbrief an die Leser*innen gab die Redaktion am Mittwoch die News bekannt.
Bücker ist über Edition F hinaus bekannt als feministische Aktivistin und Speakerin. In aktuelle Diskussionen mischt Teresa Bücker sich über ihren Twitter-Account ein, aber auch als Gast bei Panels oder Talkshows. Viel Aufmerksamkeit bekam sie etwa für einen Auftritt bei „Anne Will“ Anfang Februar, wo sie mit CDU-Politiker Philipp Amthor über Paragraf 219a diskutierte. Bücker ist das Gesicht des Magazins, ist die prominente Chefredakteurin. Ihr Weggang wird schmerzen. Die Leitung übernimmt Silvia Follmann, bisher Redaktionsleiterin. Bückers Stelle wird nicht nachbesetzt.
Was ist schief gelaufen?
Dass Edition F kriselt, überrascht. Denn nicht nur lief das Crowdfunding für die „Female Future Force“ vielversprechend – das Funding-Ziel von 100.000 Euro war binnen einer Woche erreicht, insgesamt brachte die Kampgane 400.000 Euro ein. Auch insgesamt schien bei Edition F alles glattzugehen, was bei journalistischen Start-ups glattgehen muss. Gegründet wurde das Magazin von Susann Hoffmann und Nora-Vanessa Wohlert im Jahr 2014 als ein Ort, wo Frauen Inspiration und Information für ihre Karriere finden, aber auch Lifestyle und Modethemen. 2017 hat Edition F den ersten Platz in der Kategorie „Entrepreneur“ beim Award „Journalisten des Jahres“ gewonnen. Was also ist da in der Zwischenzeit schief gelaufen?
„Es gab bestimmte Erwartungshaltungen, denen wir gerecht werden wollten“, sagt Gründerin Susann Hoffmann der taz. „Wir mussten feststellen, dass uns technologisch einfach die Puste ausgegangen ist. Unser Team und unsere finanziellen Mittel waren zu klein für die Ansprüche, die wir und unsere Community hatten.“ So hätten sie letztlich die wirtschaftliche Entscheidung getroffen, das Projekt abzubrechen, anstatt weitere Ressourcen hineinzustecken – obwohl man weiter hinter der Idee der Akademie stehe.
Die Vernetzung, die Unterstützung von Frauen, die Weiterbildung: Im Prinzip war die „Female Future Force“ die logische Weiterentwicklung. Eine Plattform, die ein journalistisches Magazin enthält, einen Community-Bereich für den Austausch. Auch eine Jobbörse gab es – ein Novum in der Medienlandschaft. Businessmagazine wie Brand Eins oder Wirtschaftswoche richteten sich an Männer, feministische Onlineportale wie Broadly oder Refinery29 kamen erst später dazu – und sind wesentlich weniger auf Karriere ausgerichtet. Entsprechend angetan waren auch Investor:innen. Ende 2015 berichtete das Handelsblatt, der Wert des Start-ups liege bereits bei knapp 4 Millionen Euro. Aber auch die Jobbörse ist mittlerweile abgeschafft worden.
Weiterhin gibt es den „25 Frauen Award“, den Edition F gemeinsam mit Zeit Online und Handelsblatt startete, wo Frauen für ihr gesellschaftliches Engagement ausgezeichnet werden, und den „Female Future Force Day“, eine eintägige Konferenz.
Werbung, die wie Artikel aussehen
Entscheidend ist hingegen die Frage, die letztlich für alle journalistischen Start-ups entscheidend ist: wie sie regelmäßig Geld einnehmen können, während alle Texte kostenlos zur Verfügung stehen. Denn auch, wenn einige Inverstor:innen Geld in das Start-up steckten: „Unsere Einnahmequellen sind zum größten Teil Native Advertisement“, sagt Hoffmann. Was bedeutet, dass Edition F statt der klassischen Banner zum Beispiel Werbung macht, die wie redaktionelle Artikel anmutet. „Außerdem generieren wir viele Einnahmen durch Eventsponsoring, gestalten Social-Media-Kampagnen oder entwickeln Marketing für Arbeitgebermarken. Im Prinzip wie eine kleine Agentur.“
Dazu kommen Links zu Produkten, wofür die Plattform bei jedem verkauften Produkt eine Provision erhält. Und eben das Crowdfundig für die „Female Future Force“ – die eigene Erträge hätte einspielen sollen, weil sie nach dem Paid-Content-Modell funktioniert. Sprich: Wer auf den Inhalt zugreifen will, muss dafür zahlen.
Bereitschaft dafür gab es, aber insgesamt haben die Erlöse bei Weitem nicht refinanzieren können, was man sich vorgenommen hatte, musste die Redaktion einsehen.
Hat das nicht auch Konsequenzen für das Magazin? Ein bisschen sieht es danach aus: Von elf Texten, die zu einer gegebenen Zeit auf der Startseite stehen, stammt immer nur etwa die Hälfte aus der Redaktion, der Rest sind Artikel, die von Leser*innen unbezahlt geschrieben werden – oder Kooperationen mit den Portalen Business Insider und ze.tt.
Edition F sei dabei sich neu zu sortieren, sagt Susann Hoffmann. „Wir werden weiterhin redaktionelle Inhalte machen, weil das für uns zentral ist, wir werden weiterhin Events machen und uns auch für die Community was einfallen lassen.“ An dem genauen Konzept wird noch gearbeitet. Ein größerer Relaunch ist angekündigt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja