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„Die Begünstigten und ihre Lobbyisten schreien“

Einmal verteilte Subventionen wieder zu streichen, ist sehr schwer, weiß Ex-Finanzminister Hans Eichel. Hoffnung machen ihm die „Fridays for Future“-Demos

Hans Eichel war von 1999 bis 2005 SPD-Finanzminister. Er ist im Beirat des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS).

Interview Bernhard Pötter

taz: Herr Eichel, wie kann der Bundestag jedes Jahr 55 Milliarden Euro für umweltschädliche Subventionen bewilligen, wenn er per Grundgesetz zum Umweltschutz verpflichtet ist?

Hans Eichel: Die Frage ist zu pauschal gestellt. Hinter jeder umweltschädlichen Subvention stehen Begünstigte, die diese Subvention als ihr Einkommen mit Zehen und Klauen verteidigen. Und es sind jeweils andere Begünstigte. Zusammen sind sie eine große Anzahl, wohl die Mehrheit, eine große Mehrheit. Trotzdem, die gewählten Volksvertreter, vor allem eine Große Koalition, müssen klarmachen, dass es so nicht weitergeht.

Sie waren selbst Bundesfinanzminister. Warum ist es so schwer, Subventionen zu streichen?

Die von den Subventionen Begünstigten und ihre Lobbyisten schreien, die Lobby des Umweltschutzes ist meist ziemlich leise oder wird nicht recht ernst genommen wie jetzt die protestierenden Schüler.

In Umfragen haben Klima- und Artenschutz immer solide Mehrheiten. Wäre das nicht ein gutes Argument, um diese Subventionen abzubauen?

Ja, aber es braucht eben politischen Mut.

Der Staat gibt 22 Milliarden aus, um die Natur zu schädigen, und 600 Millionen, um sie zu erhalten. Warum regt sich gegen diesen krassen Widerspruch so wenig Widerstand?

Weil er so konkret kaum bewusst ist.

Sie mussten damals auf Druck von „Bild“-Zeitung und Opposition davon absehen, die Ökosteuer wie geplant schrittweise zu erhöhen. Wäre es dabei geblieben, ständen wir dann beim Klimaschutz besser da?

Ja. Der Anteil der Umweltsteuern am gesamten Steuer- und Abgabenaufkommen ist jetzt auf dem Stand vor der rot-grünen Ökosteuerreform zurückgefallen. Deutschland steht damit in Europa auf einem der letzten Plätze.

Seit Jahren reden viele von einer ökologischen Steuerreform. Niemand hat offiziell etwas dagegen. Warum passiert so wenig?

Alle Einsichten sind da, aber der politische Druck fehlt. Vielleicht entwickelt sich aus den „Fridays for Future“-Protesten ja doch noch eine Massenbewegung. Das ist meine Hoffnung.

Über welche unsinnigen Subventionen haben Sie sich als Finanzminister am meisten geärgert?

Am meisten geärgert hat mich – wo soll ich da anfangen, wo aufhören? Nehmen wir die Eigenheimzulage, eine riesige reine Geldverschwendung, wie alle Untersuchungen zeigen. Ich habe 2002/2003 zunächst erfolglos für ihre Abschaffung gekämpft. Die Große Koalition hatte dann 2005 aus Geldnot ein Einsehen. Die jetzige Große Koalition hat sie auf Druck der CDU/CSU als „Baukindergeld“ im vorigen Jahr wieder eingeführt. So ein Unsinn.

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