: Ein Tunnel als Insel
Schleswig-Holstein und Niedersachsen wollen Bau des Elbtunnels bei Glückstadt beschleunigen. Bisher gilt ein gerichtlicher Baustopp. Für das Planrecht der Autobahn A20 könnte diese Insellösung Sachzwänge schaffen. Denn auch die wurde gerichtlich auf Eis gelegt
Von Sven-Michael Veit
Von einem „wichtigen Schritt“ ist die Rede, das übliche Bild vom „Meilenstein“ wird bemüht, gar von einem „Schulterschluss“ schwärmen die Beteiligten. Denn der Bund und die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben am Wochenende eine Vereinbarung zum Bau „des Elbtunnels zwischen Drochtersen und Glückstadt im Zuge der Autobahn A20“ unterzeichnet, teilten sie mit. Indes: Die Autobahn gibt es noch gar nicht, unter der Elbe droht eine Insellösung.
„Papier ist geduldig“, glaubt hingegen Andreas Tietze, Verkehrsexperte der Grünen im Schleswig-Holsteinischen Landtag. „Ich habe schon drei Minister erlebt, die mit immer neuen Fertigstellungsterminen für die A20 und den Elbtunnel hausieren gingen“, sagt Tietze. Vor 2022 werde kein Meter Autobahn gebaut werden, ein Elbtunnel zwischen den beiden Nordländern bis 2030 sei „sehr ehrgeizig“.
Von einer Insellösung, welche die Anschlussplanung an Land präjudizieren würde, will das zuständige Verkehrsministerium in Kiel nichts wissen. „Natürlich nicht“, sagt Ministeriumssprecher Harald Haase, „ohne vollziehbares Baurecht wird nichts gebaut“. Jedoch habe das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) vor drei Jahren den geplanten Trassenverlauf im Grundsatz akzeptiert. „Da ist es doch natürlich, dass man auch weiter plant“, findet Haase.
Am 27. April 2016 hatte das BVerwG in Leipzig den Planfeststellungsbeschluss des Landes Schleswig-Holstein in Sachen A20-Elbtunnel „für rechtswidrig und nicht vollziehbar“ erklärt. Begründet wurde dies mit einem fehlerhaften Umgang der Planungsbehörden mit dem Gewässerschutz und der Wasserrechtsrahmenrichtlinie (WRRL) der EU. Zwar könne Schleswig-Holstein durch ein „ergänzendes Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung diesen Fehler heilen“, urteilte das Gericht. „Daran wird noch gearbeitet“, sagte Haase am Montag.
Gegen den 5,6 Kilometer langen Tunnel zwischen Glückstadt und Drochtersen hatten die Umweltverbände BUND und Nabu sowie der Landesnaturschutzverband (LNV), ein Fährbetrieb und 22 Anwohner geklagt. Sie halten ihn für nicht notwendig und nicht finanzierbar. Die Reederei der Elbfähre Glückstadt – Wischhafen fürchtet zudem um ihre Existenz. Sämtliche Klagen wurden vom Gericht zurückgewiesen – bis auf die der Umweltverbände zum Gewässerschutz und zur Anbindung an das Verkehrsnetz.
Denn auf niedersächsischer Seite soll eine Planfeststellung für die nächste Etappe der A20 frühestens Ende nächsten Jahres vorliegen. Bis dahin würde der Tunnel planerisch südlich der Elbe als Loch im Boden ohne Anbindung an das dortige Straßennetz enden. Um einen deshalb drohenden förmlichen Baustopp zu verhindern, gestand Schleswig-Holstein vor dem Leipziger Gericht zu, mit dem Tunnelbau auf seinem Elbufer erst zu beginnen, wenn in Niedersachsen die Anbindung an die Autobahn A26 bei Stade rechtskräftig geplant ist.
Die Anbindung auf schleswig-holsteinischer Seite indes ist ebenfalls noch unklar. Der Abschnitt zwischen Glückstadt und der Flussmitte ist seit dem Urteilsspruch von 2016 in der Neuplanung, die anschließenden 66 Kilometer sind noch ungeklärt. Denn am 27. November vorigen Jahres hatte ebenfalls das BVerwG den Bau bei Bad Segeberg wegen naturschutzrechtlicher Fehler gestoppt. Zudem monierten die Richter artenschutzrechtliche Fehler. Die Auswirkungen der Autobahn auf Deutschlands größtes Fledermaus-Winterquartier im Segeberger Kalkberg mit etwa 30.000 geschützten Tieren hätten in einer Verträglichkeitsprüfung untersucht werden müssen, urteilte das Bundesverwaltungsgericht.
Die Autobahn A20 wird seit 1992 gebaut und gehörte zu den „Verkehrsprojekten Deutsche Einheit“ nach der Wiedervereinigung.
Als „Ostseeautobahn“ sollte sie ursprünglich Mecklenburg-Vorpommern mit der A1 zwischen Lübeck und Hamburg verbinden.
Zur „Küstenautobahn“ bis kurz vor Ostfriesland verlängert wurde sie Ende der 1990er-Jahre. Dies beinhaltet die nordwestliche Umgehung Hamburgs, einen Elbtunnel bei Glückstadt und die Fortführung durch das nordwestliche Niedersachsen samt Wesertunnel bis zur A28 bei Westerstede.
Die Gesamtlänge soll 541 Kilometer betragen, davon sind 345 Kilometer vom Kreuz Uckermark kurz vor der polnischen Grenze bis Weede östlich von Bad Segeberg bereits realisiert.
Das sei „eine bittere Enttäuschung“, kommentierte Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Bernd Buchholz (FDP) das Urteil. „In den kommenden drei bis vier Jahren werden wir keinen Spatenstich für die A20 mehr hinbekommen“, fürchtete er.
Aber mit dem Tunnel könnte der Bund für Sachzwänge sorgen, wenn er 2021 mit der neuen Autobahn GmbH die Federführung für das Projekt übernimmt. „Mit aller Kraft“, so Niedersachsens Verkehrsminister Bernd Althusmann (CDU) müsse „die Realisierung des Elbtunnels dann ab 2021 konsequent vorangetrieben werden“.
Und wenn der erst mal im Bau ist, so die Hoffnung, wird es leichter werden mit den Asphaltschneisen an Land.
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