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Transportverbot umfahren

Schleswig-Holsteins Landwirtschafts­ministerium stoppt vorübergehend Tiertransporte in 14 Nicht-EU-Länder. Bauernverbände sind empört – und suchen Umwege über Niedersachsen. Das dortige Agrarministerium sieht für Verbote keine rechtliche Grundlage

Von Reimar Paul

Millionen Tiere werden jedes Jahr durch Europa transportiert, bis nach Nordafrika und Zentralasien. Rinder, Schweine und Schafe sind oft wochenlang eingepfercht auf Lastwagen und Schiffen. ARD und ZDF zeigten jüngst bedrückende und erschreckende Dokumentationen über die Quälerei. Für Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Jan-Philipp Albrecht (Grüne) brachte das wohl das Fass zum Überlaufen. Er verbot die Ausfuhr von Schlacht- und Zuchttieren in bestimmte Nicht-EU-Staaten für vier Wochen.

Am Montag veröffentlichte das Ministerium einen entsprechenden Erlass an die Kreisveterinärämter, keine Transporte mehr zu genehmigen und auch keine Voratteste mehr auszustellen. Betroffen sind Fuhren in die Türkei, den Jemen, den Libanon sowie nach Marokko, Algerien, Ägypten, Aserbaidschan, Syrien, Jordanien, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan. Auch Bayern hat beschlossen, Tiertransporte einzuschränken.

Zugleich kündigte Albrecht an, während des Moratoriums auf „ein bundesweit abgestimmtes und rechtssicheres Vorgehen“ zu drängen. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) müsse in den kommenden Wochen eine Lösung für ein gemeinsames Vorgehen von Bund, Ländern und Kreisen vorlegen. Darüber hinaus solle die Bundesregierung die jüngst ergangene Aufforderung des Europäischen Parlaments aufgreifen, EU-weite Regeln für die Transportbedingungen zu verabschieden, damit die Tierqual bei Langstreckentransporten in Drittländer endlich beendet werde.

In der vergangenen Woche hatte zunächst der schleswig-holsteinische Landkreis Rendsburg-Eckernförde die Ausfuhr von Schlacht- und Zuchttieren in 14 Nicht-EU-Staaten für zwei Wochen verboten. Der Kreis Nordfriesland zog nach, der Kreis Steinburg verhängte sogar ein unbefristetes Verbot. Kurz darauf untersagte auch der Landkreis Stormarn Rinder-Exporte in 14 Nicht-EU-Länder. Die Kreise erteilen keine Atteste mehr für den Transport der Rinder von den Bauernhöfen zu zentralen Sammelstellen, von wo aus die Fahrten starten.

Massiver Protest gegen den Landeserlass kommt von der Agrarlobby. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Werner Schwarz, warnt, durch einen kompletten Exportstopp entstünden den Züchtern im Norden erhebliche Schäden. Es sei nicht Aufgabe des Ministers, den Export in Drittländer zu stoppen. Die Bundesländer hätten nicht die Kompetenz, einen so weitreichenden Runderlass zur Versagung von Gesundheitsbescheinigungen anzuordnen. Die Regelungskompetenz liege vielmehr beim Bund. Zudem gebe es keine rechtlichen Gründe, Exportgenehmigungen zu versagen. Die Bauern hätten für dieses „Lavieren zu ihren Lasten keinerlei Verständnis“.

Der Verband Rinderzucht Schleswig-Holstein geht sogar juristisch gegen den Kreis Steinburg vor, die Rinderzüchter sagten auch die Teilnahme an einem vom Agrarministerium einberufenen runden Tisch ab. Vor einer Woche hatte der Verband Atteste für den Export von elf Rindern nach Marokko beantragt. Die Tierärzte in Steinburg weigerten sich jedoch, die Bescheinigungen auszustellen. Am gestrigen Mittwoch ordnete das Verwaltungsgericht in Schleswig nun an, dass der Kreis Steinburg die Vorlaufatteste für die Transporte ausstellen muss. Das Gericht betonte dabei, dass es nicht um die Frage gegangen sei, ob der Transport nach Marokko tierschutzrechtlich zu genehmigen sei. Diese Prüfung obliege allein den Amtstierärzten im Rahmen der Ausstellung der grenzüberschreitenden Transportbescheinigung, sagte ein Gerichtssprecher.

Nach Angaben von Tierschützern umgehen einige Halter das Exportverbot, indem sie ihre Tiere nach Niedersachsen transportieren. Dort würden sie gesammelt und dann, nach Genehmigung durch die niedersächsischen Landkreise, in die fraglichen Staaten transportiert. Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) falle damit den Landkreisen in Schleswig-Holstein in den Rücken, kritisiert der Landestierschutzverband Niedersachsen.

„Ein Schlupfloch für Tierschutzverstöße darf es in Niedersachsen nicht geben“

Miriam Staudte, Grünen- Abgeordnete im Niedersächsischen Landtag

Otte-Kinast dürfe die Umgehung des schleswig-holsteinischen Verbots nicht weiter dulden, sagt auch die niedersächsische Grünen-Abgeordnete Miriam Staudte: „Ein Schlupfloch für Tierschutzverstöße darf es in Niedersachsen nicht geben.“ Staudte fordert auch für ihr Bundesland einen Erlass zum Transportverbot von Schlacht- und Zuchttieren.

Eine Sprecherin Otte-Kinasts sagte gestern auf taz-Anfrage, das Vorgehen Schleswig-Holsteins und Bayerns stehe im Widerspruch zur Rechtsauffassung des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Die nationalen Vorschriften erlaubten es Behörden nicht, lange Schlachttiertransporte grundsätzlich zu verbieten. Das gelte auch für Transporte in Drittstaaten. Jeder geplante Transport sei einer Einzelfallprüfung durch die zuständige Veterinärbehörde zu unterziehen.

„Bisher liegen dem niedersächsischen Landwirtschaftsministerium weder die rechtliche Einschätzung des Münchner und Kieler Ministeriums noch die dort erstellte Liste der gesperrten Drittländer vor“, erklärte die Sprecherin. Die Auswirkungen für Niedersachsen könnten daher noch nicht abschließend beurteilt werden. Es sei jedoch nicht auszuschließen, „dass es durch das Vorgehen in Bayern und Schleswig-Holstein zu einer Verlagerung von Tiertransporten in benachbarte Bundesländer oder sogar andere Mitgliedsstaaten kommt. Damit wären zusätzliche, vermeidbare Transportwege für die Tiere verbunden.“

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