Medizinische Cannabis-Importe stocken: Patient*innen ohne Stoff
Seit 2017 ist die Abgabe von Cannabis als Medizin erleichtert. Wegen Lieferengpässen aus dem Ausland gehen Patient*Innen oft leer aus.
Seit März 2017 gilt in Deutschland das „Cannabis als Medizin“-Gesetz, das die Abgabe von Cannabis an schwerkranke Patienten erleichtert. Gesetzliche Krankenkassen können nun neben den Kosten für cannabisbasierte Fertigarzneimittel auch die für getrocknete Cannabisblüten erstatten.
Vor dem Inkrafttreten des Gesetzes gab es laut Hanfverband gut 1.000 Cannabis-Patient*innen in Deutschland. Seit März 2017 gingen bei den drei größten gesetzlichen Krankenkassen, AOK, Barmer und TK, nun fast 32.000 Anträge auf Kostenübernahme ein, ungefähr zwei Drittel wurden genehmigt. Und die Gesamtzahl aller Cannabis-Patient*innen liegt noch weitaus höher. Denn AOK, Barmer und TK haben einen Marktanteil von rund 63 Prozent. Dazu kommen noch die Kund*innen der anderen gesetzlichen und privaten Krankenkassen.
Mit dem neuen Cannabis-Gesetz hätten auch die Versorgungsengpässe begonnen, sagte Christian Splett vom Deutschen Apothekerverband der taz. „Die hohe Nachfrage aufgrund der ärztlichen Verordnungen konnte nicht durch Importe aus dem Ausland gedeckt werden.“
Weltweit steigende Nachfrage nach Marihuana
Rezepte für Cannabis sind auf die genaue Sorte abgestimmt und nur sieben Tage gültig. Ist die Sorte nicht verfügbar, gehen die Patient*innen leer aus und können ihre Symptome nicht behandeln. Laut Hanfverband-Sprecher Wurth liegen die Lieferengpässe an der weltweit steigenden Nachfrage nach Marihuana. „Ein wesentlicher Faktor dürfte die Legalisierung in Kanada sein.“ Produktionsländer wie Kanada und die Niederlande versorgten erst ihre eigenen Märkte, bevor sie ins Ausland exportierten.
Deutsche Apotheken dürfen bisher nur Cannabis aus Kanada und den Niederlanden importieren. Zwar wird auch in Uruguay seit 2017 Marihuana staatlich angebaut. Die dortige Legalisierung als Genussmittel verstoße aber gegen UN-Konventionen, so das Bundesgesundheitsministerium zur taz. Deshalb habe sich die Bundesregierung gegen einen Import entschieden.
Indes: Auch Kanada hat Marihuana 2018 als Genussmittel legalisiert. Auf Nachfrage der taz, warum der Import aus Kanada dennoch legal sei, antwortete das Gesundheitsministerium, dass Kanada im Gegensatz zu Uruguay „in einem getrennten System die Versorgung mit medizinischem Cannabis aufrecht erhalten“ wolle.
In Deutschland produzieren Unternehmen noch kein medizinisches Marihuana. Daher sind die Apotheken auf die Importe angewiesen. Der Anbaubeginn von medizinischem Cannabis war für 2019 geplant. Für die Produktionserlaubnis lief auch bereits ein Ausschreibungsverfahren, das aber wurde vom Oberlandesgericht Düsseldorf aufgrund von Klagen mehrerer Unternehmen gekippt. Nun läuft ein zweites Verfahren, dessen Zuschlag Mitte 2019 erfolgen soll. Die erste Ernte in Deutschland erwartet das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Ende 2020. Geplant ist die Produktion von 10.400 Kilogramm medizinischem Marihuana in vier Jahren.
„Bundesregierung hat den Bedarf unterschätzt“
Kritik an der Planung der Bundesregierung kommt von den Grünen. „Die Bundesregierung hat den Bedarf nach Cannabis von Anfang an unterschätzt“, sagte Kirsten Kappert-Gonther, drogenpolitische Sprecherin der Grünen, der taz. Die Regierung hätte den Anbau in Deutschland stärker vorantreiben müssen. „Schon heute ist der Bedarf größer als die geplante Anbaumenge.“
Ähnlich äußert sich die Linke. „Die Bundesregierung muss endlich dafür sorgen, dass Cannabis-Patient*innen ihr Medikament in der Apotheke auch erhalten können“, erklärte Niema Movassat, drogenpolitischer Sprecher der Linken. Die Regierung habe sich „beim Thema Cannabisanbau in Deutschland stümperhaft verhalten“. Die Anbaumengen seien viel zu gering angesetzt. „Wenn Deutschland den Import komplett durch eigenen Anbau ersetzen wollen würde, müssten etwa 25 Tonnen pro Jahr ausgeschrieben werden.“
Die Situation könnte sich jedoch bald etwas entspannen. Ende Januar erlaubte Israels Regierung den Cannabisexport. Dieser soll in einem halben Jahr beginnen. Das Bundesgesundheitsministerium teilte mit, dass deutsche Unternehmen nun Anträge für eine Importerlaubnis stellen könnten. Auch liege ein neuer Gesetzentwurf vor, der es Patient*innen und Ärzten einfacher mache, auf mögliche Lieferengpässe zu reagieren. So sei vorgesehen, dass die Patient*innen künftig keinen neuen Antrag bei ihrer Krankenkasse stellen müssten, wenn sie nur die Dosierung ändern oder die Blütensorte wechseln wollten.
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