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Die Angst vor Altersarmut bannen

Wer lange gearbeitet hat, soll im Alter nicht zum Sozialamt müssen. Bundesminister Hubertus Heil (SPD) schlägt eine „Grundrente“ für Geringverdiener*innen vor, ohne Anrechnung von Partnereinkommen oder Vermögen. Die Union protestiert

Von Barbara Dribbusch und Tanja Tricarico

Lange haben Gewerkschafter und Sozialverbände auf dieses Vorhaben gewartet. Nun wagt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) mit einem am Sonntag vorgelegten Papier einen Vorstoß. Millionen Menschen, die während ihres Arbeitslebens zu den Geringverdienern gehörten, sollen mehr Rente bekommen.

Um bis zu 447 Euro monatlich könnte ihr Anspruch erhöht werden, wenn Heils Pläne durchgehen. „Sehr viele Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, landen wegen ihrer niedrigen Löhne als Rentner in der Grundsicherung. Das will ich ändern“, sagte der SPD-Politiker der Bild am Sonntag.

Berechtigt sind die diejenigen, die 35 Jahre lang sozialversicherungspflichtig gearbeitet haben, angerechnet werden Kindererziehung und die Pflege von Angehörigen. Nach Heils Konzept soll die Anzahl von Rentenpunkten für GeringverdienerInnen höher gewertet werden. Es gibt also keinen festen Betrag einer „Grundrente“, sondern eine dynamische Höherwertung, die aber gedeckelt ist (siehe unten). Drei bis vier Millionen Menschen sollen laut dem Heil-Vorschlag von der Grundrente profitieren. Darunter seien „zu 75 Prozent Frauen“, sagte der Minister. Die Verbesserungen sollen nicht nur für künftige RentnerInnen, sondern auch für RentnerInnen im Bestand gelten. Im Zeitungsinterview sagte Heil, er rechne derzeit mit einem „mittleren einstelligen Milliardenbetrag pro Jahr“. Sein Ziel sei, das Vorhaben „aus Steuermitteln zu finanzieren“.

In seinem Papier schlug Heil außer der Grundrente auch einen Freibetrag für RentnerInnen vor, die trotz ihrer gesetzlichen Runde und der neuen Grundrente weiter ein Fall für die Grundsicherung bleiben. Außerdem will Heil Verbesserungen beim Wohngeld für RentnerInnen durchsetzen.

Heils Plan würde drei bis vier Millionen Ältere unterstützen, die meisten davon Frauen

Die Grundrente solle „den Auftrag aus dem Koalitionsvertrag umsetzen“, heißt es in dem Papier. Im Koalitionsvertrag ist eine Grundrente vorgesehen, die 10 Prozent über der Grundsicherung im Alter, also dem Niveau von Hartz-IV, liegen soll. Im Koalitionsvertrag ist allerdings auch festgehalten, dass es für die neue Leistung eine „Bedürftigkeitsprüfung“ geben solle. Dies würde bedeuten, dass das Einkommen des Ehe- oder Lebenspartners und die Vermögenssituation bei der Berechnung eines Anspruchs auf Grundrente mit berücksichtigt werden müsste. Das Heil-Papier aber verspricht eine Grundrente „ohne eine Bedürftigkeitsprüfung“.

Die Union lehnte Heils ­Papier daher auch in einer ersten Stellungnahme ab. „Was Hubertus Heil vorlegt, entspricht nicht dem Koalitionsvertrag“, sagte der arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Peter Weiß (CDU), am Sonntag. Die Union wolle „ein differenziertes System, das am tatsächlichen Bedarf ansetzt und dann die Rente aufstockt“, erklärte Weiß. Das solle über Mittel aus der Rentenversicherung erfolgen. Wie der erste ­Referentenentwurf für das ­Gesetz aussehen wird, ist nach dem Widerstand der Union also noch völlig unklar. Annelie Buntenbach vom Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes begrüßte das Papier von Heil. „Wer ein Leben lang gearbeitet, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt hat, muss im Alter mehr haben als die Grundsicherung.“ Auch der Sozialverband VdK unterstützt die Idee, niedrige Renten endlich aufzuwerten. Allerdings seien „die Zugangsvoraussetzungen von 35 Beitragsjahren zu starr“, sagt der Rentenexperte des Sozialverbandes, Samuel Beuttler-Bohn, „wer dann nur 34 Jahre an Beitragszeiten aufweisen kann, geht leer aus“.

Auch von führenden Ökonomen kommt Zustimmung für Heils Vorschlag. DIW-Chef Marcel Fratzscher spricht von einem „wichtigen Schritt, um die Altersarmut zu reduzieren“.

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