Debatte US-Außenpolitik: Weder Hü noch Hott
Am Beispiel des US-Engagements in Syrien zeigt sich vor allem eines: Wie widersprüchlich die Politik der USA im Nahen und Mittleren Osten ist.
S elten seit dem Zweiten Weltkrieg waren aus der Regierung in Washington in einer wichtigen sicherheitspolitischen Frage so widersprüchliche Erklärungen zu hören wie derzeit zur Zukunft der US-Truppen in Syrien. Mitte Dezember kündigte Präsident Donald Trump den vollständigen Abzug der 2.000 Soldaten innerhalb von vier Wochen an – per Twitter und ohne zuvor die für Sicherheits- und Außenpolitik zuständigen Mitglieder seiner Regierung zu konsultieren. Nach dem anschließenden Rücktritt von Verteidigungsminister James Mattis reichten dann auch der Stabschef des Pentagon und weitere Mitglieder der Regierung aus Protest gegen die Entscheidung ihren Abschied ein.
Doch letzte Woche machten Trumps nationaler Sicherheitsberater John Bolton und Außenminister Michael Pompeo den Abzug der US-Truppen von drei Bedingungen abhängig: von der „vollständigen Vernichtung aller Reste der Terrororganisation ‚Islamischer Staat‘“, vom „Ende jeglicher militärischer Präsenz des Iran“ sowie von „Sicherheitsgarantien“ des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan für die KurdInnen in Nordsyrien. Zudem sei der Verbleib von US-Truppen in Syrien erforderlich, um „den Einfluss Russlands zurückzudrängen“ und als „Rückversicherung“ für Israel, schrieb Bolton in einem Memo an Trump.
Sollte sich Präsident Trump diese Zielsetzungen zu eigen machen, wäre entgegen seiner Ankündigung von Mitte Dezember die Stationierung von US-Truppen in Syrien auf viele Jahre garantiert und sogar ihre Aufstockung wahrscheinlich. Zudem wüchse die Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung zwischen den USA – im Bündnis mit Israel und Saudi-Arabien – und dem Iran.
Die Erfüllung der Bedingung einer vollständigen Vernichtung des IS ist völlig unrealistisch. Alle Versuche der vergangenen vierzig Jahre – zunächst der Sowjetunion nach ihrer Invasion in Afghanistan 1979 und dann der USA und ihrer Verbündeten seit den Anschlägen vom 11. September 2001 –, islamistische Rebellengruppen oder Terrororganisationen militärisch endgültig zu besiegen, sind gescheitert.
Erdoğan hat den Trumpf in der Hand
Das ist allerdings nicht nur ein strategisches Dilemma für die USA, sondern auch für Russland und den Iran, die den IS, den syrischen Al-Qaida-Ableger sowie diverse sunnitisch-islamistische Rebellengruppen in Syrien militärisch bekämpft haben. Denn zugleich verschaffen Moskau und Teheran diesen Terrororganisationen und Rebellengruppen neuen Zulauf und Unterstützung, indem sie weiterhin das Regime von Präsident Baschar al-Assad in Damaskus an der Macht halten.
Unter diesen Umständen wäre auch das von Bolton und Pompeo verlangte Ende der Präsenz von iranischen Militärstützpunkten und Soldaten in Syrien – wenn überhaupt – nur durch die US-amerikanische Unterstützung der bereits laufenden israelischen Luftangriffe auf diese Ziele zu erreichen. Auf das damit verbundene hohe Risiko eines indirekten oder gar direkten Krieges gegen den Iran würden sich Bolton und Pompeo, nach ihren bisherigen Bekundungen zu urteilen, wohl einlassen, nicht aber das Pentagon und wahrscheinlich auch nicht Trump.
Schließlich hat die Administration in Washington keinerlei Druckmittel, um den türkischen Präsidenten zu verlässlichen „Sicherheitsgarantien“ für die KurdInnen in Nordsyrien zu bewegen. Mit der südtürkischen Luftwaffenbasis Incirlik, die für die USA und ihre Verbündeten für alle ihre bisherigen Kriege und militärischen Operationen im Nahen Osten unverzichtbar war, hat Erdoğan den entscheidenden Trumpf in der Hand.
Das strategische Dilemma der USA in Syrien und darüber hinaus in der Nahostregion, das in den widersprüchlichen Äußerungen aus der Trump-Administration deutlich wird, wird bleiben, solange Washington nicht mit dem Hauptsponsor des globalen islamistischen Terrorismus, der wahhabitischen Königshausdiktatur in Saudi-Arabien bricht und die Beziehungen zum Iran grundsätzlich verbessert. Statt die viel beschworene „schiitische Achse der Bösen von Teheran über Damaskus bis zur Hisbollah im Libanon“ ins Visier zu nehmen, sollten die USA endlich gegen die Unterstützung von IS, al-Qaida sowie diversen sunnitischen Rebellengruppen in Syrien, Irak, Afghanistan und anderswo durch ihre vermeintlichen Verbündeten in Riad und Ankara vorgehen.
Keine Chance für eine Kurskorrektur
Der Iran ist wegen seines Reichtums an Öl und Gas, seiner strategischen Lage am Persischen Golf, seiner Geschichte sowie seiner Rolle als Führungsmacht der Schiiten das wichtigste Land in der Region des Nahen und Mittleren Ostens. Die Normalisierung der Beziehungen zwischen den USA und Iran nähme dem Regime in Teheran endlich den außenpolitischen Hauptfeind. Dann bestünde auch die Chance auf eine Demokratisierung im Iran und in der Folge auch im Irak und in Syrien. Erst damit wären die Voraussetzungen für eine demokratische Selbstbestimmung der KurdInnen geschaffen, wenn nicht in einem gemeinsamen Staat, so doch zumindest unter weitgehenden, mit den Regierungen in Teheran, Bagdad und Damaskus vereinbarten Autonomieregeln.
Doch für die skizzierte Kurskorrektur der US-Politik im Nahen Osten gibt es zumindest unter der Trump-Administration keine Chance. Das machte Außenminister Pompeo vergangene Woche in einer Rede in Kairo unmissverständlich deutlich. Er bekräftigte die tiefe Feindschaft gegen Iran und das enge Bündnis mit Saudi-Arabien.
Pomepo, Bolton, Vizepräsident Mike Pence sowie Jared Kushner, Trumps Schwiegersohn und Sonderbeauftragter für den Nahen Osten, bestimmen die Politik der USA in dieser Region. Trumps Twitter-Ankündigung zum Abzug der US-Soldaten entsprang lediglich dem populistischen Kalkül, beim isolationistisch gestimmten Teil seiner AnhängerInnen den Eindruck zu erwecken, er werde sein Wahlkampfversprechen von 2016 einlösen, „die Rolle der USA als Weltpolizist zu beenden“.
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