Grüne Landtagspräsidentin Aras: Pöbeleien souverän abgewehrt

Muhterem Aras, Landtagspräsidentin in BaWü, lässt einen AfD-Hypnotiseur aus dem Saal werfen. Auch ein notorischer Antisemit musste gehen.

Muhterem Aras mit Glocke

Muhterem Aras macht vom Hausrecht Gebrauch Foto: dpa

Muhterem Aras, die grüne Präsidentin des Landtags von Baden-Württemberg, ist Stimmkönigin. Sie hat ihren heterogenen Wahlkreis „Stuttgart eins“ 2011 und 2016 jeweils mit über 42 Prozent der Stimmen direkt gewonnen. Sie hat damit vor zwei Jahren das beste Ergebnis aller Abgeordneten erzielt, vor allen Abgeordneten der CDU und natürlich weit vor denen der AfD.

Es ist ganz gut, sich das ins Gedächtnis zu rufen, um zu begreifen, wie groß bei manchen inzwischen die Verachtung für die Demokratie ist – und für jene, die mit allem Recht von sich sagen können, dass sie das Wahlvolk in seiner ganzen Breite vertreten.

Ein vorläufiger Höhepunkt dieser Verachtung trug sich am Mittwoch im Stuttgarter Landtag zu. Da weigerte sich der AfD-Abgeordnete Stefan Räpple, von Beruf Hypnotiseur, mit den Worten „Ich bleib hier!“ nach einem dreifachen Ordnungsruf der Landtagspräsidentin, den Plenarsaal zu verlassen.

Aras musste die Polizei zu Hilfe rufen, um ihr Hausrecht durchzusetzen. Wenig später schmähte Räpples Parteifreund Wolfgang Gedeon, ein notorischer Antisemit, Aras ganz direkt: „So können sie ein Parlament in Anatolien führen, aber nicht in Deutschland“. Auch Gedeon verließ den Saal erst, als Aras die Polizei um Hilfe bat.

Die 52-Jährige sitzt möglicherweise auf dem derzeit unbequemsten politischen Stuhl, der in Baden-Württemberg zu vergeben ist. Seit ihrer Wahl zur Landtagspräsidentin 2016 ist sie fast bei allen Parlamentsdebatten Zielscheibe der AfD, die ihr immer wieder Parteilichkeit vorwerfen – oder gleich die Islamisierung Deutschlands.

Stimmkönigin ihrer Partei

Kein Wunder, denn Aras, geboren in der Nähe der ostanatolischen Stadt Bingöl, Tochter einer Gastarbeiterfamilie, die es auf dem zweiten Bildungsweg zur eigenen Steuerberaterkanzlei gebracht hat, repräsentiert alles, was die AfD bekämpft.

Im persönlichen Gespräch ist Aras mit ihrer fröhlichen Art oft überzeugender als vor großem Publikum.

Aras selbst sagt, sie habe sich Deutschland „erarbeitet“: Nach den Pogromen von Lichtenhagen und Mölln 1992 tritt sie den Grünen bei, wird deutsche Staatsbürgerin. Von 1999 an sitzt sie im Stuttgarter Gemeinderat, 2011 zieht sie das erste Mal in den Landtag ein. Schon damals als Stimmkönigin ihrer Partei.

Jetzt, als Landtagspräsidentin, versucht sie ihre Begeisterung für das Grundgesetz, das ihr, wie sie der taz verriet, „zur Heimat geworden ist“, den Bürgerinnen und Bürgern näher zu bringen. Dafür reist sie mit der Veranstaltungsreihe „Wertsachen“ durch das Land und diskutiert mit prominenten Gästen und dem Publikum über einzelne Grundgesetzartikel.

Im persönlichen Gespräch ist Aras mit ihrer fröhlichen Art oft überzeugender als vor großem Publikum. Manchmal würde man ihr auch im Parlament einen kühleren Umgang mit den Zwischenrufen und Anfeindungen von der rechten Seite des Plenums wünschen. Aber vielleicht ist das zu viel verlangt. Denn die Pöbeleien richten sich ja nicht nur gegen sie persönlich. Es ist der Angriff einer extremen Minderheit gegen eine offene und vielfältige Gesellschaft, die Muhterem Aras in Amt und Person wie kaum eine andere repräsentiert.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.