: Von Kirchner bis Kohle
Das Parlament beschließt in der letzten Sitzung 2018 den Nachtragshaushalt und beklatscht laut den entlassenen Staatssekretär
Von Stefan Alberti
„Den entpflichteten Staatssekretären wünsche ich alles Gute. Herrn Kirchner w…“ – weiter kam Parlamentspräsident Ralf Wieland (SPD) nicht, als er auf den am Dienstag vom Senat entlassenen Jens-Holger Kirchner und einen weiteren geschassten Staatssekretär zu sprechen kam. Lang anhaltender, lauter und so nach allgemeiner Erinnerung noch nie für einen Staatssekretär erfolgter Beifall füllte das Plenum. Alle Fraktionen applaudierten – wie um die Grünen zu gleichstarkem Beifall zu nötigen, die den von ihrer Verkehrssenatorin Regine Günther eingeleiteten Rauswurf ihres Parteikollegen mittrugen.
In der letzten Abgeordnetenhaussitzung des Jahres wirkte Günther angesichts des Beifalls etwas konsterniert. Sie hatte sich von dem an Krebs erkrankten Kirchner getrennt, obwohl der angekündigt hatte, dass er im Frühjahr wieder in seinen Job einsteigen könne. Günther begründete das damit, ihre Behörde wieder voll funktionsfähig machen zu müssen. Bei den Grünen und außerhalb der Partei löste das teils heftige Kritik aus. Der Senat beschloss nach langen Gesprächen am Dienstag, Kirchner zwar wie von Günther beantragt durch einen neuen Staatssekretär zu ersetzen, aber für ihn eine Stelle in der Senatskanzlei einzurichten.
„Das ist ein Unding“
Die Personalie Kirchner floss in die Debatte über den Nachtragshaushalt ein, den die Koalition gegen die Stimmen von CDU, AfD und FDP beschloss. CDU-Mann Christian Goiny warnte dabei davor, als Regierungsmitglied krank zu werden – wohin das führe, habe man ja jetzt gesehen. „Es ist ein Unding, wie Sie mit Kirchner umgehen.“
Als dann Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) am Mikro stand, kam er um eine Replik nicht herum. Was Goiny gesagt habe, stimme nicht: „Der Senat hat am Dienstag einen Beschluss gefasst, der Herrn Staatssekretär Kirchner Lebensmut und eine berufliche Perspektive gibt und seine Erfahrung für die Stadt erhält.“ Nach Redaktionsschluss stand ein CDU-Antrag auf der Tagesordnung, der Senatorin eine Missbilligung auszusprechen – ein parlamentarisches Auf-die-Finger-Klopfen ohne praktische Folgen. Beim Haushalt drehte sich die Debatte vor allem um den Vorwurf der Opposition, Rot-Rot-Grün verpulvere Geld für überflüssige Wohltaten. Kritiker stellten weniger infrage, dass Schüler künftig nicht fürs Schulessen bezahlen müssen und gratis ein Ticket für Bus und Bahn bekommen, sondern dass das für alle gelten soll, nicht nur für weniger Begüterte. „Da fahren dann die Kinder gut situierter Eltern umsonst U-Bahn, während die Rentnerin daneben sitzt und bezahlen muss“, kritisierte Sibylle Meister (FDP).
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