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Rolling Stones von Vorteil

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Chefs öffentlicher und halböffentlicher Unternehmen und zwei amtierende Staatssekretäre wegen Vorteilsnahme. Sie sollen Konzertkarten für die Rolling-Stones erhalten haben. Filzdebatte könnte Hamburger Wahlkampf prägen

Karten dafür waren schwer begehrt: Stones-Konzert im Hamburger Stadtpark Foto: Carsten Rehder/dpa

Von Marco Carini

Die Affäre um die Vergabe von Karten für ein Rolling-Stones-Konzert in Hamburg im September vergangenen Jahres zieht weitere Kreise. Wie Staatsanwaltschaftssprecherin Nana Frombach der taz bestätigte, ermittelt die Staatsanwaltschaft auch gegen die beiden Hamburger Staatsräte Mathias Kock (Stadtentwicklung, parteilos) und Andreas Rieckhof (Verkehr, SPD) wegen Vorteilsnahme. Beide Staatsräte hätten bereits rechtliches Gehör erhalten. Kommt es zu einer Anklage, könnte sie das den Job kosten.

Kock und Rieckhof wird vorgeworfen, die begehrten Tickets vom Bezirksamt Nord erhalten zu haben, gegen dessen Ex-Chef Harald Rösler (SPD) wegen Bestechlichkeit und Bestechung ermittelt wird. Rösler, dessen Behörde das Konzert genehmigte und zahlreiche Ausnahmen gestattete, soll vom Veranstalter ein Kontingent von 300 Kauf- und Freikarten, „verlangt“ haben, um sie „Freunden des Hauses“ anzubieten.

Beide Staatsräte haben nach derzeitigem Ermittlungsstand die Karten vom Bezirk zum regulären Preis gekauft und nur wenige Euro Vorverkaufsgebühr eingespart. „Die mögliche Vorteilsnahme liegt darin, dass die Tickets auf dem freien Markt nicht mehr zu erhalten waren“, sagt Frombach. Denn das Konzert der Altrocker war frühzeitig ausverkauft.

Nach Recherchen der Bild-Zeitung befanden sich die beiden Staatsräte auf dem Stadtpark-Konzert in honoriger Gesellschaft. Vor allem diverse Führungskräfte aus öffentlichen und teilöffentlichen Unternehmen wurden aus Röslers Kartenpool bedient. Darunter befinden sich etwa die Flughafen-Geschäftsführer Michael Eggenschwiler und Alexander Laukenmann, der Chef der Hamburger Friedhöfe Carsten Helberg, Planetariums-Direktor Thomas Kraupe und die Spitzenfunktionäre des städtischen Wohnungsbaukonzerns Saga, Sven Wittstock und Wilfried Wendel. Als einzige Frau auf der Liste: Rita Müller, Leiterin des Museums für Arbeit.

Ihre Namen sollen – neben vielen anderen – auf den von der Staatsanwaltschaft im Bezirksamt beschlagnahmten Datenträgern aufgetaucht sein. Da die Ermittlungen noch im Anfangsstadium stecken und die Beschuldigten zudem weniger als die beiden Staatsräte „Personen des öffentlichen Lebens“ sind, darf die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen nicht bestätigen.

Doch dementieren will Nana Frombach die Namen auch „keinesfalls“ – ein Indiz dafür, dass sie stimmen. „Und es kommen immer mehr Personen dazu“, sagt Frombach. Die Auswertung der amtlichen Datenträger sei noch nicht abgeschlossen. Die Liste der Beschuldigten dürfte noch länger werden.

Während die Recherchen gegen die KartenkäuferInnen noch in den Kinderschuhen stecken, sind die Ermittlungen gegen die wegen der Karten-Affäre bereits suspendierte Gesundheits-Staatsrätin Elke Badde (SPD) weitgehend abgeschlossen. Gegen sie wird vor dem Amtsgericht oder wegen der besonderen öffentlichen Bedeutung des Verfahrens sogar vor dem Hamburger Landgericht Anklage erhoben. Das bestätigte Gerichtssprecher Kai Wantzen der taz.

Recht für Amtsträger

Vorteilsannahme ist eine nach Strafrecht strafbare Handlung. Sie liegt gemäß § 331 StGB dann vor, wenn ein Amtsträger für sich oder für einen Dritten für die Dienstausübung einen Vorteil fordert, sich versprechen lässt oder annimmt.

Bestechlichkeit: Als typisches Amtsdelikt ist die Bestechlichkeit in § 332 StGB geregelt. Ein Amtsträger fordert Gegenleistungen oder nimmt solche an, um sich eine pflichtwidrige Diensthandlung vergüten zu lassen.

Bestechung wird nach § 334 StGB mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft. Bestechung begeht, wer einem Amtsträger als Gegenleistung dafür, dass er eine Amtshandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme, einen Vorteil anbietet, verspricht oder gewährt.

Badde soll ebenfalls Kaufkarten von Rösler erhalten haben, sich zudem aber wegen „Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat“ vor Gericht verantworten. In einem offensichtlich auf den 23. August zurück datierten Schreiben soll Badde am 20. September nachträglich abgesegnet haben, dass der ihr formal unterstellte Rösler selber mit seiner Frau das Konzert besuchte und zudem vier Freikarten an Bekannte weitergab. Das Konzert fand zwischen beiden Terminen statt.

Auch gegen Röslers designierte Nachfolgerin Yvonne Nische ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen der Vorteils­annahme und -gewährung. Nische steht ebenfalls im Verdacht, Freikarten unberechtigt angenommen und weitergegeben zu haben.

Die SPD-Politikerin ist am 12. April von der Bezirksversammlung zur neuen Verwaltungschefin gewählt worden. Doch wegen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wurde das Ernennungsverfahren ausgesetzt. Als dienstälteste Dezernentin leitet Nische das Bezirksamt dennoch – derzeit geschäftsführend. Sollte auch gegen sie Anklage erhoben werden, dürfte es zur Ernennung nicht mehr kommen.

In der SPD hofft man, dass schnell über eine Anklageerhebung gegen Nische und die anderen Beschuldigten, von denen viele das rote Parteibuch besitzen, entschieden wird. Von einer Filzdebatte im Bürgerschaftswahlkampf, der 2019 beginnt, wollen sich die Genossen keinesfalls überrollen lassen.

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