: Neuer Raser-Prozess
Verurteilung wegen Mordes ist immer noch möglich. BGH hatte erstes Urteil aufgehoben
An diesem Montag beginnt am Landgericht Berlin die Neuauflage des spektkulären Ku’damm-Raser-Prozesses. Die beiden Angeklagten Hamdi H. (heute 29) und Marvin N. (27) müssen sich erneut wegen Mordes an einem unbeteiligten Autofahrer verantworten.
Im Februar 2016 hielten die beiden jungen Männer nachts um halb eins zufällig an einer Ku’damm-Ampel nebeneinander. Per Handzeichen verabredeten sie ein Rennen bis zum Kaufhaus KaDeWe. Auf der 3,5 Kilometer langen Strecke passierten sie mit ihren PS-starken Autos elf Ampeln, manche zeigten Rot, wurden aber ignoriert. An der letzten Kreuzung lag N. knapp vorn, deshalb beschleunigte H. auf über 160 Stundenkilometer. Dabei erfasste er jedoch einen Rentner, der gerade mit seinem Jeep bei Grün aus einer Seitenstraße auf die Kreuzung fuhr. Der Jeep wurde durch die Luft geschleudert, der Mann starb noch am Unfallort.
In einem ersten Prozess verurteilte das Landgericht Berlin die beiden Raser im Februar 2017 wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Sie hätten spätestens in der letzten Kurve mit bedingtem Vorsatz den Tod von Passanten in Kauf genommen. Weil sie dabei „gemeingefährliche Mittel“ benutzt hatten (gemeint sind die Autos), wurden die Männer nicht nur wegen Totschlags, sondern sogar wegen Mordes verurteilt. Früher waren tödliche Raserfälle in aller Regel als fahrlässige Tötung beurteilt worden. Dafür hatte es eine Höchststrafe von fünf Jahren gegeben.
Der Bundesgerichtshof hob das Mordurteil jedoch im März 2018 wegen Rechtsfehlern auf. So habe das Landgericht ausgeblendet, dass sich die beiden Raser bei ihrer halsbrecherischen Fahrt auch selbst gefährdeten und eventuell schon deshalb auf einen guten Ausgang vertrauten.
Zudem sei der vom Landgericht festgestellte Tötungsvorsatz rechtlich irrelevant, weil er erst für die letzte Kurve festgestellt wurde. Zu diesem Zeitpunkt hätten die beiden Raser den Unfall aber nicht mehr verhindern können.
Nun muss das Landgericht Berlin völlig neu über den Fall entscheiden. Ein erster Versuch war im August abgebrochen worden. Die damals zuständigen Richter waren von den Angeklagten erfolgreich wegen „Besorgnis der Befangenheit“ abgelehnt worden. Sie hatten sich in einem Haftbeschluss zu sehr auf das aufgehobene Mordurteil bezogen.
Die Angeklagten sitzen bis heute in Untersuchungshaft. Eine neue Verurteilung wegen Mordes ist – mit besserer Begründung – immer noch möglich. Das BGH-Urteil hat dies aber nicht gerade nahegelegt.
Christian Rath
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